Auf der Flucht

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regenprinz Avatar

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Wieder einmal habe ich dank Vorablesen einen neuen Autor für mich entdeckt, denn "Dunkle Gewässer" hält, was die Leseprobe verspricht: Es ist eine atmosphärisch unglaublich dicht erzählte, spannende Geschichte an einem bedrückenden Schauplatz mit Figuren, die authentisch wirken und ans Herz gehen. Dabei hat mir Sprache und Stil fast noch besser gefallen als die eigentliche Handlung, obwohl man beides hier kaum trennen kann, so perfekt fügt es sich ineinander.
Osttexas ist wahrlich kein Ort, an dem man zu jener Zeit leben möchte, egal, ob man weiblich, schwarz oder schwul ist - die 16-jährige Ich-Erzählerin Sue Ellen und ihre Freunde Jinx und Terry stecken in wahrlich deprimierenden Verhältnissen, bis sie nach dem Tod der hübschen May Lynn unerwartet zu Geld kommen. Doch hinter der vergrabenen Beute aus einem Banküberfall sind noch andere her und so hetzt man ihnen mit dem im Wald lebenden Skunk sogar einen echt durchgeknallten Killer auf die Spur. Die drei Jugendlichen, denen sich noch überraschend Sue Ellens bisher eher lethargische Mutter anschließt, kämpfen auf ihrer Flucht bald nicht mehr nur um ihre Freiheit und ihre Zukunft, sondern um ihr Leben. Und sie begegnen einigen anderen Personen, die ihnen zeitweise hilfreich zur Seite stehen, aber ihr eigenes Bündel zu tragen haben ...
Die Geschichte einer abenteuerlichen Flussfahrt spielt mit den großen Themen Freundschaft, Liebe und Tod, auch mit Schuld und Unschuld, mit dem Erwachsenwerden, mit Träumen und dem "sich-fügen" in die Realität. Streckenweise erinnert es an ein Roadmovie, dann wieder an eine Mischung aus Drama und Milieustudie. Manche Entwicklung ist dabei nicht absehbar, etliches kam für mich überraschend. Und immer wieder finden sich im Buch wahre Satzperlen, mitunter sogar ein Hauch von Poetik. Ich ziehe wirklich meinen Hut vor diesem Autor und seiner Erzählweise!
Warum ich trotzdem nicht die volle Sternchenzahl verteile, liegt daran, dass mir persönlich das Buch an einigen Stellen zu brutal war und mir die Notwendigkeit dafür nicht ganz einleuchtet. Ich glaube, die Geschichte hätte auch ohne diese "metzeligen" Details funktioniert.
Aber "Dunkle Gewässer" ist ganz sicher nicht mein letztes Buch von diesem Autor gewesen!