Guten Appetit

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philipp.elph Avatar

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Für Freunde ungewöhnlicher Mordmethoden bietet Jo Nesbø im 11. Fall für Harry Hole wiederum ein ausgefallenes Werkzeug und führt dabei die Leser in die Welt des Vampirismus. Der Leopoldsapfel aus Leopard bekommt im neuen Roman einen würdigen Nachfolger.

Und wieder ist es Harry Hole, der sich mit diesem Instrument, mit der Anwendung und dessen Benutzer auseinander setzen muss. Dabei war Nesbøs Held Harry nach seinem Koma für einige Jahre verschwunden. Inzwischen ist der Spezialist für Serienkiller ein beliebter und anerkannter Dozent an der Osloer Polizeihochschule geworden, doch als in Norwegens Hauptstadt eine neue ungewöhnliche Mordserie beginnt, wird Hole zur Unterstützung seiner Nachfolgerin Katrine Bratt und des alten Teams zurückgerufen.

Der Auftrag lautet: „Fang den Täter!“ Und dieser Aufgabe widmet er sich in bekannter Weise, allerdings nicht freiwillig. Vielmehr wird er von seinem ehemaligen Chef Mikael Bellmann dazu in erpresserischer Weise gezwungen.

Der Mörder geht raffiniert von. Er akquiriert seine Opfer mittels einer Dating-App und geht bis hin zur Liquidierung raffiniert und im Finale mit einem ungewöhnlichen Werkzeug vor, der die Ermittler zu der alten, über 1000 Jahre alten japanischen Methode des Zähneschwärzens, dem Ohaguro, führt. Schnell wird jedoch klar, dass die Eisenspuren an den Wunden der Opfer nicht nur von dem eisenhaltigen Zahnschwärzungsmittel stammen können. Ein Werkstück aus Eisen muss zum Einsatz gekommen sein, als der Täter Kehle und Halsschlagader der Frauen wie ein wildes Tier aufgerissen hat. Eigenartig ist dabei, dass bei der blutigen Methode nur wenig Blut am Tatort zu finden ist.

Vampirismus ist die Erklärung, die Hole und Katrine Bratt dazu einfällt. Und während Harry Hole immer klarer wird, dass der Mörder – wenn es denn wirklich ein Vampirist -, ein „alter Bekannter“ ist, der ihm bisher entwischte, erhält das Team die Unterstützung von Hallstein Smith einem Psychologe und Spezialisten für Vampirismus. Smith hat jahrelang das Phänomen erforscht. Seine Ergebnisse werden jedoch von der Fachwelt nicht anerkannt, seine Arbeit von den Kollegen als Unsinn abqualifiziert. Mit dem Wissen von Smith über die Psyche beißender, bluttrinkender Individuen und Holes Verbissenheit, den alten und neuen Fall endlich zum Abschluss zu bringen, nähern sie sich dem Täter – und der Täter nähert sich ihnen.

Der Fall scheint geklärt. Doch dann – und es wäre kein echter Nesbø-Thriller, wenn es nicht so käme – ergibt sich eine weitere Perspektive, eine Wendung durch ein Motiv hinter dem Motiv, ein Plot-Twist, von dem der Leser im Nachhinein meint, es bereits erkannt zu haben. Harry Hole stellt die Falle und lässt sie zuschnappen, schnappt selbst zu. So kommt es, dass unser Held zum elften Mal auf dramatische Weise sein Leben rettet, nach all den Gefahren, denen er sich aussetzt. Bei allen Widrigkeiten, mit denen er im Laufe der Ermittlungen zu kämpfen hat, sei es das Verhalten seines ehemaligen Chefs, der aus Karrieregründen Harry zu manipulieren versucht. Zudem muss sich Hole Sorgen um die Gesundheit seiner Frau und die Ausbildung seines Sohns machen.

Aber all das gerät fast in den Hintergrund durch das, was sich hinter der Mordserie und besonders hinter dem Schlagwort Vampirismus verbirgt.

Dieser Thriller beinhaltet zugleich eine ausführliche Lektion zum Thema Vampirismus. Der Leser erfährt weitaus mehr als Wikipedia zu diesem Thema zu bieten hat.

Die Tat als solche war wichtiger als die Wahl der Opfer. Über das Renfield Syndrom, über das, was Täter wie John George Haigh als „Vampir von London“ oder Peter Kürten – der Vampir von Düsseldorf – antrieb so zu morden, wie sie es taten, darüber hat Jo Nesbø recherchiert und diese Ergebnisse in Durst in beeindruckender Weise einfließen lassen.

Und speziell: Nach allem…. (,Herr Nesbø,) …… , was Sie mir über die Morde gesagt haben, ist das Verhalten dieses Vampiristen eher durch Paraphilien wie Nekrophilie und Sadismus als durch Mythomanie oder den Glauben geprägt, selbst ein außerirdisches Wesen zu sein.

Dieser Thriller ist ein „echter Nesbø“, ein packender Harry Hole. Und wenn er auch als blutiger Reißer daher kommt, ist es letztlich nicht ein bluttriefendes Werk, denn das Blut wird getrunken, um zu genießen.