Bes auf mi.

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martinabade Avatar

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„Alles hin.“ Die Mutter, das Geld, das Leben.

Ich bin eine Nicht-Haasianerin. Denn beim Haas ist das so: Man liebt das, oder man hasst das. Ich gehöre zur letzteren Kategorie. Diese Krimi-Reihe, in der immerzu alles Mögliche im Vordergrund steht, nur nicht der Fall. Diese Ermittlerfigur, dieses ganze Wienerische, dieser für hochdeutsche Zungen nicht zu entschlüsselnde Dialekt, dieses bräsige Erzähltempo. Diese Schachtelsätze von oben links nach unten rechts, mit den komplett gar nicht nachzuvollziehenden Gedankenpurzlern irgendeiner abseitigen Nebenfigur. Doch - da ich sozusagen umzingelt bin von Haas-Groupies und –Groupisten, habe ich in den letzten Jahren immer wieder Rezeptionsversuche unternommen. Ohne Erfolg.

Nun also ein „Mutter-Roman“, ein schmaler Band Autofiktion. Sterbende oder dahin- siechende Eltern sind als Sujet ja gerade nah am Zeitgeist. Die erfolgreich schreibende Zunft dieser Tage kommt oft aus den Jahrgängen 1955 – 1975, da ist das fällig. Wie nun also hier.

Der Plot: Mutter Haas, Mitte neunzig, stirbt. Sohn Wolf ist in der Nähe, auch der ältere Bruder hält sich bereit. Mutter und Sohn erinnern sich an das Leben, manchmal gemeinsam, manchmal getrennt. Mutters leben war geprägt von Arbeit und Armut, vom Krieg und der Arbeit im und nach dem Krieg. Eine kluge Frau, aber vor allem auch eine schlaue und mutige, die wir in der Rückschau gut kennenlernen.

Der Rahmen: Während Wolf auf Exkursion in das Leben seiner Mutter geht, auf Briefe und Fotos stößt, drückt ihn der Gedanke, dass er eine Poetikvorlesung zugesagt habe, für die es zurzeit nicht mehr gibt als einen kargen Titel: „Kann man vom Leben schreiben?“. Nur wenige Seiten später gibt es schon die Titel zu drei Kapiteln. 3. Kapitel: Die Aufgeblasenheit der Literatur. Diese Ausführungen bekommen wir nicht zu lesen, denn aus dem Off des Autors brüllt der berühmte österreichische Dichter und Schriftsteller Ernst Jandl dem Haas ins Ohr: Lass weg, Haas.

Das nimmt der sich zu Herzen, und es entsteht ein Roman, ein Brief des Sohnes an die Mutter, in dem alles beglückend knapper dasteht als es könnte. Von vorn nach hinten ist der Text wie ein Obstsaft auf dem Herd, der binnen dieser knapp 160 Seiten zum Sirup, zur Essenz einkocht. Man bekommt einfach die Abschleckfinger nicht aus dem Topf. Worte wie ein Linolschnitzmesser, böse Spiele mit der Sprache und dem Dialekt, und der Kampf um die Quadratmeter. Da sparst du, dann kommt die Inflation und alles ist weg. Nun, zum Schluss hat Mutter ihre Quadratmeter: 1,7 in ihrem eigenen Grab.