Fast besinnliche Weihnachten

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krabbe077 Avatar

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Zugegebenermaßen ist es noch ein bisschen früh für die Festtagslektüre, aber nach anfänglichen Bedenken konnte ich mich schnell darauf einlassen und habe mir beim Lesen direkt ein paar Lebkuchenherzen reingeschoben. Aylin Atmaca beschreibt in "Ein Alman feiert selten allein" ihre Erfahrungen als Kind türkischer Eltern, das in Deutschland groß geworden ist und nun das erste Mal mit ihrem deutschen Freund ein klassisches Alman-Weihnachtsfest erlebt.

Elif, die Erzählerin, und ihr Freund Jonas fahren also an Heiligabend zu Familie Neubauer ins Sauerland. Schon die Planung, die in einer großen Familien-WhatsApp-Gruppe Monate im Voraus beginnt, macht Elif nervös und die Nervosität steigert sich bis zum großen Tag ins Unermessliche. Im Hause Neubauer angekommen und nach erstem Kennenlernen mit den potenziellen Schwiegereltern, Schwester Bianca und ihren Söhnen, Onkel Georg und Tante Claudia, bewahrheiten sich viele Befürchtungen und es kommt zu kleineren und größeren Eklats und emotionalen Ausbrüchen. In den ersten beiden Dritteln feuert die Autorin Klischees aus allen Rohren und sorgt damit für zahlreiche Lacher. Dabei fließen immer wieder kritischere Töne in den Subtext, die größere Konfliktthemen unserer Zeit wie rassistische Mikroaggressionen, Klassenunterschied und Generationenstreitigkeiten anschneiden. An ihrem Feingefühl bei der Beschreibung dieser Probleme merkt man sofort, dass Aylin Atmaca weiß wovon sie spricht und aus ihrem persönlichen Erfahrungsschatz schöpft. Soweit so gut, aber leider verliert sie mich im letzten Drittel komplett. Dieses ist derart überladen mit Kitsch, dass ich auf den letzten Seiten den Kater nach den Weihnachtsfeiertagen regelrecht spürte. Das mag Geschmackssache sein und bis zu einem gewissen Punkt hat es mich durchaus berührt und ich freute mich für die Erzählerin. Aber leider ist das, was mich an diesem Buch so begeistert hat, im letzten Drittel völlig verloren gegangen, nämlich Atmacas Humor, mit dem sie gekonnt so viele deutsche Skurrilitäten auf die Schippe nimmt. Was mich außerdem nachhaltig irritiert, ist die übermäßige Selbstkritik der Erzählerin. Regelmäßig dachte ich mir, Girl, it’s not your fault! Für mich war es in manchen Momenten fast schon verstörend zu lesen, was Elif über sich ergehen lassen muss, damit von ihrem Jonas völlig allein gelassen wird und den Fehler dennoch bei sich sucht. Den Eindruck kann auch das sehr versöhnliche Ende nicht ausräumen.

Mein Fazit fällt also gemischt aus. Zunächst hat mir das Buch genau das geliefert, was ich mir davon versprach. Leichte Unterhaltung und viele Lacher, bevor das Kitschfeuerwerk seinen Lauf nahm. Von kleineren Ungereimtheiten abgesehen, die Stil und Aufbau betreffen, ist das Romandebüt aber gelungen. Auf schnell gelesenen, knapp 200 Seiten bringt uns Aylin Atmaca frühzeitig in Weihnachtsstimmung.