Für alle, die Birkenstock tragen und Geschenkpapier bügeln. Und alle, die darüber den Kopf schütteln

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waschbaerprinzessin Avatar

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Ende September: In den Supermarktregalen tauchen die ersten Lebkuchen auf und die Familie Neubauer beginnt, die Weihnachtsfeiertage bis ins kleinste Detail zu planen. Vom Tagesablauf bis hin zum pro Person unter dem Weihnachtsbaum für Geschenke benötigen Platz wird alles haargenau in mehreren Listen festgehalten. Bei der türkischstämmigen Ich-Erzählerin Elif verwandelt sich die Vorfreude auf ihr erstes Weihnachten mit der Familie ihres deutschen Freundes langsam aber sicher in Panik.

Mit viel Humor schildert die sympathische Protagonistin, wie sie die Vorbereitungen und die Weihnachtsfeiertage bei Neubauers erlebt, hebt dabei aber auch deutlich hervor, welche Verhaltensweisen ihrer potenziellen Schwiegerfamilie ihr gegenüber unangemessen sind und von welchen oft unbedachten oder lustig gemeinten Aussagen sie sich verletzt oder angegriffen fühlt. Auf diese Weise regt die Aylin Atmaca nicht nur dazu an, Weihnachtstraditionen zu hinterfragen, sondern vor allem auch unseren Umgang mit unseren Mitmenschen, insbesondere, wenn diese einen anderen kulturellen Hintergrund haben als wir selbst.

Die Autorin spielt mit kulturellen Klischees, ohne dass es abgedroschen oder klamaukig wirkt, und lässt ihre Ich-Erzählerin immer wieder zu der Feststellung kommen, dass ihre eigene Familie und die ihres Partners in einiger Hinsicht doch eigentlich gar nicht so unterschiedlich ticken. So blickt Elif mit einer Mischung aus Faszination, Unverständnis und Wut, aber auch mit ganz viel Liebe auf ihr erstes richtiges deutsches Weihnachtsfest und die Mitglieder der Familie Neubauer.

Als weihnachtsfeiernder Alman erkennt man beim Lesen die ein oder andere typische Weihnachtssituation wieder, auch wenn manches doch ein wenig überspitzt wirkt. Ich konnte definitiv einiges auf der „Wie viel Alman steckt in dir?“-Checkliste im Buchumschlag für mich selbst abhaken. Aber auch in viele Situationen und Fettnäpfchen rund um das erste Kennenlernen der zukünftigen Schwiegereltern konnte ich mich sofort einfühlen und wurde teilweise an eigene Erfahrungen erinnert. Der locker-lustige, zeitgemäße, sehr ehrlich wirkende Schreibstil hat dafür gesorgt, dass ich den Roman schnell und mit Freude gelesen und mich der Erzählerin von Anfang an nahe gefühlt habe.

„Ein Alman feiert selten allein“ von Aylin Atmaca ist ein Buch für alle, deren Familien an Weihnachten ein kleines bisschen verrücktspielen. Für alle, die in einer Familien-WhatsApp-Gruppe gefangen sind. Für alle, die zum ersten Mal die Feiertage mit der potenziellen Schwiegerfamilie verbringen. Für alle, die gerne mal wieder herzlich lachen wollen. Und für alle Almans, die bereit sind, einen selbstironischen Blick auf die eigenen Familientraditionen zu werfen und diese einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.