Wie eine fremde Spezies im Zoo

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owenmeany Avatar

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Der "clash of cultures" manifestiert sich ganz besonders deutlich an emotionsbelasteten Festtagen wie Weihnachten. Das ist häufig schon innerhalb des christlichen Kulturkrieses ein Problem, umso mehr, wenn Andersgläubige oder Nichtgläubige ins Spiel kommen. Die Komik des vorliegenden Bands, verfasst von einer türkischstämmigen Autorin, ist der Tatsache zu verdanken, dass sie offensichtlich an eine überdurchschnittlich bornierte Familie geraten ist. Das kann man mit aller gebotenen Selbstkritik lesen, oder es geht einem nach einer Weile auf die Nerven, weil man vor lauter flächendeckend aufgestellten Fettnäpfchen nicht mehr weiß, wohin man seinen Fuß setzen soll.

Da wird nichts ausgelassen: ein straff durchgetakteter Zeitplan, der Kult um den Weihnachtsbaum, geschenkegeile Kids, zu üppiges Essen und Alkoholgenuss, einmal ganz abgesehen von der fehlenden Distanz zu Selbstverständlichkeiten, die auf andere Nationalitäten merkwürdig oder unzumutbar wirken. Aber die Reaktion der Ich-Erzählerin ist auch von keinem bisschen Empathie belastet.

Den Gipfel setzt dann der Besuch des Gottesdienstes auf. Ob ich die Blasphemie in Kapitel 8 witzig finden soll, erschließt sich mir nicht.

Gendern in einem Roman habe ich bisher noch nicht erlebt, hier bleibt mir auch das nicht erspart: auch noch mit Doppelpunkt.

Gut getan hätte diesem Opus ein Lektorat, das die Rechtschreib- und Wiederholungsfehler eliminiert. So gewandt und flott die Autorin formuliert, oft geht ihr vor lauter Begeisterung der Gaul durch. Wie ein Falschfahrer in der Einbahnstraße findet sie alle anderen blöd ohne den geringsten Selbstzweifel.

Indem Aylin Atmaca hier ihren lange aufgestauten Frust ungefiltert und hochemotional ablädt, dient sie weder der gegenseitigen Akzeptanz und Verständigung. An dieser Stelle hätte ich die Lektüre beinahe abgebrochen. Am Ende bin ich froh, dass ich tapfer bis zum Ende durchgehalten habe, und da es sich hier um keinen Krimi handelt, kann ich bemerken ohne zu spoilern, dass irgendwann der allseitige Stimmungsumschwung erfolgt, jedoch allzu abrupt, dass er noch so manches, aber nicht alles den Bach heruntergegangene wieder auffängt. Aber es hat mich schließlich dann doch noch ein bisschen versöhnt.