Ein feiner dunkler Riss - Erwachsenwerden, Sexualität, Rassismus und Gewalt

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evelyn Avatar

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Der Roman "Ein feiner dunkler Riss" ist an einem alten Kriminalfall den Stanley lösen will aufgehängt. Er gliedert sich in drei Teile.
1. Teil: Der 13-jährige behütet in einer kindlich, heilen Welt aufgewachsene Stanley wird mit Themen aus der Erwachsenenwelt konfrontiert. Er erfährt etwas über diverse sexuelle Praktiken,
soziale und rassistische Diskriminierung.
2. Teil: Er stellt Nachforschungen über den Kriminalfall an und will den Dingen auf den Grund gehen, dabei gerät er in gefährliche Situationen. Sexuelle Aufklärung erfolgt und gesellschaftliche
Spielregeln und Ungerechtigkeiten werden ihm dabei bewusst.
3. Teil: Die neuen Erkenntnisse erfordern eine Meinungsbildung und eine Stellungnahme. Er wird erwachsen und lernt eigene Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen daraus zu
tragen.
Er lernt Dinge zu beeinflussen und solche die er nicht beeinflussen kann zu akzeptieren.
Mit dem Buchtitel " Ein feiner dunkler Riss" ist die feine Grenze zwischen den Lebenden und den Toten, wie auf Seite 94 erklärt wird, gemeint.. Ein feiner Riss trennt aber auch die kindliche, heile Welt von der Erwachsenenwelt, Arm von Reich, Schwarz von Weiß und Schuldig von Unschuldig.
Die Protagonisten sind zwar liebevoll und sympathisch gestaltet, aber nicht immer schlüssig und glaubhaft.
So ist es doch sehr überraschend, dass ein 13-jähriger Junge vor kurzem noch an den Weihnachtsmann glaubte, während seine 16-jährige Schwester sexuell aufgeklärt ist.
Ebenso finde ich es verwunderlich, was sich Rosy Mae, die dunkelhäutige Hausangestellte gegenüber ihrem Arbeitgeber Herrn Mitchell und dem gesellschaftlich hochangesehenen Herrn Stilwind herausnimmt, wenn man bedenkt, dass zur damaligen Zeit rassistische Diskriminierung an der Tagesordnung waren. Auch dass der hagere, alte Filmvorführer Buster sturzbesoffen, den riesigen, kräftigen Bubba Joe töten kann ist trotz des Überraschungseffektes sehr verwunderlich.
Doch der Leser verzeiht solche Ungereimtheiten und Überzeichnungen, denn sie dienen dem Fortgang der Geschichte, genau wie die Belehrungen die Buster Stanley gibt.
Stanleys Vater macht eine große Entwicklung durch, erst amüsiert er sich noch auf Kosten der Schwarzen und benutzt hemmungslos das Wort Nigger, doch am Ende der Geschichte akzeptiert er die Schwarzen als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Das Verhalten dieser Familie gegenüber Frauen und Schwarzen ist ihrer Zeit weit voraus.

Alles in allem ein interessanter, eindringlicher Roman, der einen zum Nachdenken anregt über gesellschaftliche Spielregeln und Zwänge, sexuelle Praktiken, Respekt gegenüber anderen Menschen und dem eigenen Verhalten. Trotz der ernsten Themen kurzweilig zu lesen. Lesenswert!