Ein "geist"reicher Text

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lenaliestzuviel Avatar

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"Dies ist ein weiblicher Text." Mit diesem Satz beginnt und endet "Ein Geist in der Kehlte" und je weiter man in die von Doireann Ní Ghríofa erzählte(n) Geschichte(n) vordringt, umso mehr versteht man, was sie damit meint. In ihrem Buch nimmt sie sich nicht nur ungelesener Texte, sondern auch ungehörter Stimmen, unerzählter Schicksale und unerwähnter Ereignisse an, die sich wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte und das Leben von Frauen ziehen und doch selten einen Weg in die Literatur finden. Statt mit der übertriebenen Dramatik eines Romans, der etwas beweisen will, nähert sich Ní Ghríofa ihren Themen im Stil eines Essays an, der immer wieder durch Erzählungen aus dem Leben von Doireann Ní Ghríofa ergänzt wird.

Auch wenn das Buch zunächst sehr persönlich wirken mag, gibt die Tatsache,
dass es sich bei eben jenen autobiografischen Erzählungen (zumindest zum Teil) um Autofiktion handelt, dem Ganzen den Hauch eines Romans. Man hat das Gefühl, in einem Tagebuch zu lesen, in dem sich die Welt zumindest ein kleines bisschen um die Protagonistin dreht, die sich aber gleichzeitig das Rampenlicht mit ihrer persönlichen Heldin, Eibhlín Dubh Ní Chonaill, teilt. Zwar würde ich mich selbst als Irland-Fan beschreiben, hatte allerdings bisher wenig Kontakt mit der irischen Sprache und dem Caoineadh Airt Uí Laoghaire, dem Klagelied um Eibhlíns Mann Art, dessen Übersetzung und Hintergrundrecherche sich Ní Ghríofa in diesem Buch widmet. Umso spannender war es für mich, in eine ganz reale, fremde Welt einzutauchen - und darin doch immer wieder Vertrautes wiederzuentdecken. Da sich die Erzählung im stream of conscious fortbewegt, wirkt das Buch manchmal etwas durcheinander, womit sich aber gut umgehen lässt, wenn man sich einfach darauf einlässt, einfach zuzuhören.

Ní Ghríofa beweist dabei immer wieder, dass sie ein besonderes Gefühl für die Sprache hat und schafft es, dem Leser das Gefühl zu geben, mit ihr an den verschiedenen Stationen von Eibhlíns Leben zu stehen und mit ihr durch die Zeit zu reisen. (Dass, um ihren Stil zu würdigen, für die deutsche Übersetzung zwei Übersetzer - einer für die Gedichte und einer für den Prosatext - gewählt wurden, gefällt mir dabei sehr gut.) Doch egal, worum es auch geht: Ní Ghríofa nimmt kein Blatt vor den Mund, was z.T. fast schon brutal wirken kann. Die ersten Male überrascht das deshalb auch, passt aber letztendlich zu ihrer durch und durch ehrlichen Herangehensweise an ihre Erzählung. Ní Ghríofa möchte nichts verschweigen, vor allem nicht, wenn es um die weibliche Existenz geht.

Auch wenn die Prämisse des Buchs zunächst recht simpel ist, ist es Ní Ghríofa doch gelungen, einen "geist"reichen Text zu produzieren, der einen, wenn man sich darauf einlässt, völlig in den Bann schlägt. Als Historikerin konnte ich besonders den Wissensdurst nach Details aus dem Leben von Eibhlín Dubh Ní Chonaill verstehen und hatte so manchmal auch mehr den Eindruck, eine Art ausformuliertes Protokoll zu lesen, anstelle eines ... Essays? Fiktiven Tagebuchs? Halbromans? Einem klaren Genre widersetzt sich das Buch vehement.

So sehr mich das Buch begeistert hat, so vorsichtig bin ich mit einer Empfehlung, weil es sicherlich nicht für jeden ein Buch ist, das er oder sie mal eben nebenbei liest. Ní Ghríofa schreibt für Menschen mit Wissensdurst, mit Liebe zur Poesie, mit einem Verlangen nach Geschichte und einer Begeisterung für das Alltägliche, für die kleinen Dinge, hinter denen sich doch so viel mehr verbirgt - und genau diesen Menschen würde ich die Lektüre auch empfehlen.