Ein wundervolles Buch

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rebekka Avatar

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Graf Alexander Rostov ist eindeutig ein Gentleman. Nach der russischen Oktoberrevolution als missliebiger Adliger unter Hausarrest in einem Moskauer Hotel gestellt, meistert er sein Schicksal ohne Klagen, lässt sich auch von widrigen Umständen nicht aus der Ruhe bringen, hat für jedermann ein freundliches Wort schafft es nebenbei, ein kleines Mädchen zu einer wunderbaren jungen Frau zu erziehen.

Die Vermutung, dass eine solch liebenswürdige, optimistische Person nur von einem anderen Gentleman erfunden werden kann, liegt nahe und verfestigt sich bei der Lektüre dieses wunderbaren Buches von Seite zu Seite. Beide, der russische Graf wie auch der Autor Amor Towles, wissen offenbar nicht nur, was das Wesen eines Gentlemans ausmacht. Sie kommunizieren und schreiben auch in einer solch gepflegten Sprache, dass man gar nicht mehr aufhören möchte zu lesen. Ausdrücklich einbeziehen sollte man in dieses Lob die Übersetzerin Susanne Höbel, die den Text für die deutschen Leser in kongenialer Weise aufbereitet hat.

Amor Towles, als Amerikaner im Kapitalismus aufgewachsen, beschränkt sich in diesem Buch geschickter Weise darauf, die vielen Jahre des gesellschaftlichen Umbruchs in der Sowjetunion, die Leiden der Menschen in der Stalinzeit und die Verbrechen der kommunistischen Apparatschiks ausschließlich aus der Sicht des im Hotel festgesetzten Grafen zu schildern. So kann er seine Systemkritik zwar deutlich, aber zurückhaltend formulieren – ganz so, wie es ein Gentleman tun würde. Gleichzeitig ist er ein Meister der Personenbeschreibung: Alle Menschen, mit denen es der Protagonist zu tun bekommt, werden so liebevoll und mitunter humorvoll geschildert, dass man sie deutlich vor sich sieht und – von einigen Ausnahmen abgesehen – sofort ins Herz schließt.

„Ein Gentleman in Moskau“ gehört zu den schönsten Büchern, die ich in diesem Jahr gelesen habe. Hoffentlich schreibt Amor Towles noch mehr Romane dieser Art!