Gefangen im Mikrokosmos eines Hotels

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geschwaetz Avatar

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Nimmt man dieses Buch in die Hand hat man durch ein kleines schmeichelndes, haptisches Erlebnis schon eine Sympathie für es entwickelt. Das Cover gefällt mir gut, weil es den Leser neugierig macht. Da steht ein Mann in einem Raum und hat einen Ausblick hinaus in den Ausschnitt der Welt, den er von seinem Standpunkt aus betrachten kann, womit dieser Roman im Grunde schon beschrieben ist.
Wir erfahren, dass der titelgebende Gentleman seit 1922 unter lebenslangem Hausarrest steht. Er darf das Hotel „Metropol“ in Moskau nicht verlassen. Tut er es dennoch, wird er erschossen.
Für einen Roman ist das eine wunderbare Ausgangssituation, obwohl das Motiv als solches aus der Literatur hinlänglich bekannt ist.
Wie wird Graf Rostov mit dieser Veränderung und Einschränkung in seinem Leben umgehen? Wie reagiert er mit seiner inneren Einstellung auf die äußeren Gegebenheiten?
Der Leser begleitet Alexander Rostov über gut drei Jahrzehnte und ich hatte dabei hin und wieder das Gefühl an einer Vorlesung über russische Geschichte vorbeizutreideln.
Nach der Hälfte des Romans spürte ich, dass den Autor seine Erzählfreude etwas verlassen hat und ich fragte mich während der Lektüre, warum macht sich jemand auf ein solches Buch zu schreiben, uns diese Geschichte zu erzählen? Ist es ein Liebesbekenntnis oder der Versuch einer Annäherung an Tolstoi und Dostojewski? Seine aufrichtige Bewunderung für diese beiden russischen Autoren jedenfalls verbirgt der Autor vor uns nicht.
Dieses Buch hat eine angenehme und beruhigende Stimmung und hier und dort begegnet einem ein kleines humorvolles Augenzwinkern. Der Autor schreibt flüssig und unterhaltsam und spricht seinen Leser öfter auch direkt an. An manchen Stellen hätte ich mir gewünscht, dass die Sprache etwas ausgefeilter wäre. Ich möchte nicht zwei Mal lesen, dass sich eine Versammlung versammelt und auch nicht, dass jemand ein paar Löffel löffelt.
Dennoch eignet sich dieser Roman sehr gut dazu, ihn auf einer Couch unter einer Decke und heißen Tee trinkend zu lesen.