Große Geschichte über einen großen Gentleman

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Graf Alexander Iljitsch Rostov wird 1922 in Moskau zu lebenslangem Hausarrest im Hotel Metropol verurteilt. Auslöser ist ein Gedicht aus dem Jahre 1913, dessen Inhalt dem Regime nicht schmeckt.
Bisher bewohnte der Graf im Metropol eine herrschaftliche Suite, dinieren und debattieren, lesen und reflektieren gehörten zu seinen Hauptbeschäftigungen. Er führte ein privilegiertes Leben.
Da die Umstände sich geändert haben, muss Graf Rostov in eines der ehemaligen Dienstbotenzimmer ziehen, Erinnerungen, Möbelstücke und Bücher hinter sich lassen. Ist das Hotelleben für einen freien Mann und Gentleman eine wahre Pracht, so ist es für einen Gefangenen nach einer gewissen Zeit Trott und Langeweile. Da der Graf jedoch ein sehr positives Wesen besitzt und er die kleinen und guten Dinge zu schätzen weiß, freundet er sich mit seinem Leben im Hotel an und wird laut seinem guten Jugendfreund zum „glücklichsten Mensch Russlands“. Zu seinem Glück, zu seiner Zufriedenheit, zur Abwechslung tragen einige sehr liebenswerte Personen bei. Als erstes sei Nina zu erwähnen, die der Graf kennen lernt als sie 9 Jahre alt ist. Nina wohnt auch im Metropol und führt den Grafen in die verborgenen Winkel des Hotels. Nina und der Graf haben eine tiefe Verbundenheit. Nach einiger Zeit beginnt Rostov im Hotelrestaurant Bojarski als Oberkellner zu arbeiten. Mit dem Küchenchef Emile und Restaurantchef Andrei verbinden Rostov eine große Freundschaft und der kulinarische Genuss von Speisen und Getränken. Eine entscheidende Rolle spielt auch Anna, eine Schauspielerin, die im Metropol zu Gast ist und zu einer engen Vertrauten des Grafen wird. In seiner Zeit im Metropol lernt Rostov viele Menschen kennen, die ihm im Verlauf seines Lebens gute und enge Freunde werden oder wichtige Rollen spielen werden. Eine große Wende erfährt sein Leben, als die kleine Sofia in seine Obhut gegeben wird. Aus einem geplanten Monat werden Jahre, Sofia wird für den Grafen zur Tochter, die ihm viele wunderbare Jahre beschert.
Amor Towles beschreibt nicht nur einfühlsam und präzise die Anfangssituation des Grafen vor Gericht und seinen Umzug in die "Gefangenschaft“, sondern behält diese Emotionalität bis zum Ende des Romans bei. Auch wird der Esprit und Charme einer lang vergangene Zeit durch den gesamten Roman transportiert. Gespant habe ich die Geschichte des Grafen verfolgt, habe schöne Momente geteilt, in traurigen mitgebangt. Scheinbar nebenbei flicht der Autor die geschichtlichen Ereignisse der jeweiligen Zeit mit ein, ohne dabei mit Geschichte zu überfrachten. Die Hauptperson, die Haupthandlung bleibt stets bei Graf Rostov und seiner Lebenswelt dem Metropol. Die Charaktere sind allesamt gut beschrieben, überzeugen durch Persönlichkeit und wurden mir sehr lebendig. Man konnte mit Nina versteckt im Ballsaal den Versammlungen lauschen, mit Marina in der Nähstube sitzen oder Sofia auf ihren Blitztouren durch das Hotel verfolgen.
Das Buchcover ist passend gewählt. Ein Mann schaut aus den geöffneten Fenstern in die Stadt hinaus. Das tagtägliche Bild, das sich Graf Rostov von der Welt außerhalb des Metropol zeigte, der Blick aus den Hotelfenstern.