Ungewöhnlich

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katercarlo Avatar

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Graf Alexander Iljitsch Rostov hatte wenn man es genau nimmt Glück, als er 1922 bei seiner Anhörung vor dem Volkskommissariat nur zu lebenslangem Hausarrest im Hotel Metropol verurteilt wurde. Die Bolschewisten, die nach den Sturz des Zarenreichs in Russland, das Kommando übernehmen, sind dem Adel im Land nicht sehr positiv gestimmt. Trotzdem leidet der Graf an seiner Gefangenschaft in dem Hotel. Es gibt nicht Vieles mit dem er seinen Tag verbringen kann und lässt sich immer mehr gehen.
Aus seiner Liturgie heraus hilft ihm schließlich ein kleines Mädchen. Nina Kulikowa ist auch Gast des Hotels und auch sie darf es nicht verlassen. Sie nimmt dem Grafen mit auf ihren Erkundungen durch die verschiedenen Zimmer des Hotels und zeigt ihm durch ihre kindliche Neugier, wie einfach sie dem Gefühl des Eingesperrt seins entkommt.
Die Freundschaft zwischen den beiden ist ungewöhnlich. Beide sind nicht wirklich Durchschnitts-Menschen. Der Graf ist sehr gebildet, verbringt seine Zeit mit gutem Essen, lesen und dichten. Sie ist ein kleines Mädchen, dass zum einem noch sehr naiven Träumen nachhängt, zum anderen aber schon sehr erwachsen spricht und tiefere Zusammenhänge versteht. Das lässt das Mädchen in meinen Augen ein wenig unglaubhaft wirken.
Viel besser finde ich dagegen Towles Talent erfundene Aspekte der Geschichte mit wahren Gegebenheiten zu verbinden. Während Graf Rostov die Außenwelt nur durch die Fenster des Hotels sieht, bekommt man als Leser einen guten Eindruck davon, wie es in den 1920er Jahren in Russland aussah. Immer wieder lässt Towles politische, gesellschaftliche und soziale Fragen zum Russland der damaligen Zeit einfließen.
Auch der Schreibstil ist gelungen. Ungewöhnlich, wie schon die Figuren und die Handlung, aber gut. Es hilft dem Leser sich in die Zeit zurück zu versetzten und wirkt zugleich sehr lyrisch. Zum Teil macht es das anstrengend, den Ausführungen des Grafen zu folgen, aber in keiner so starker Weise, dass es beim Lesen stören würde.
Ein Buch, dass man also nicht als Meanstream bezeichnen kann, aber auch nicht als schlecht.