Ein Jahr voller Wunder

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
mia Avatar

Von

Die Erdrotation verlangsamt sich und damit werden die Tage immer länger, mit allen möglichen Konsequenzen. Diese deutet die Autorin jedoch zunächst nur an und schafft damit auf subtile Weise Spannung. Sie lässt die Endzeitprobleme, die nach und nach auftauchen, ganz langsam in den Alltag einsickern, sie wiegt ihre Protagonisten (und damit auch die Leser) in vermeintlicher Sicherheit, da der tägliche Trott zunächst wie gewohnt weitergeht.

Zu Beginn sind die Probleme einfacherer Natur: Bus- und Bahnfahrpläne geraten aus dem Rhythmus, der Schulanfang verschiebt sich. Doch mit der Zeit wird an der Basis der menschlichen Existenz gerüttelt, denn die Lebensbedingungen ändern sich drastisch: Die Vögel sterben, die Wale stranden, die Pflanzen gehen nach und nach ein, das Magnetfeld der Erde verschiebt sich, die Nahrungsgrundlage der Menschen ist gefährdet, Getreide kann nur noch in Gewächshäusern gezüchtet werden und das nur so lange fossile Brennstoffe zur Verfügung stehen, Verteilungskämpfe beginnen. Menschen erkranken und sterben. Das Grundvertrauen darauf, dass morgen noch alles so ist wie heute, schwindet. Das alles erinnert an die Reiter der Apokalypse.

Uhr- und Tageszeit werden entkoppelt, letztere bietet keine Orientierung mehr, keinen Rahmen der täglichen Routine. Diejenigen, die verzweifelt versuchen, nach der neuen Tageszeit zu leben, werden ausgegrenzt, fast schon progromartig verfolgt und scheitern schließlich.

Die Autorin inszeniert die Katastrophe ganz geschickt als Hintergrund der zwischenmenschlichen Probleme der Protagonisten, die im Vordergrund stehen. Ein Ehepaar lebt sich auseinander, entkoppelt sich wie Uhr- und Echzeit, ein Kind verliert gute Freunde und vereinsamt mehr und mehr.

Das Buch bietet keine reißerischen Gräuelszenen, sondern den leichten Schauder und jede Menge Gänsehaut. Dabei schafft es die Autorin, Situationen, Stimmungen und Befindlichkeiten der Protagonisten nachvollziehbar zu vermitteln. Es ist alles in allem ein leises Buch, sehr traurig, aber auch sehr schön.