Was wäre, wenn Tage und Nächte immer länger würden?

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girdie Avatar

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Die Dystopie „Ein Jahr voller Wunder“ von Karen Thompson Walker ist als Hardcover im btb Verlag erschienen. Die 34 Kapitel verteilen sich auf 313 Seiten. Die Geschichte spielt in Kalifornien. Der untere Teil des Covers zeigt Häuser, die ich mir typisch für diese Gegend so vorstelle und so hat dieses Bild auch meine Vorstellung während des Lesens geprägt. Die Häuser sind in irrrationalem Licht getaucht über dem ein Nachthimmel mit durchsichtigen Blasen steht. So könnte Julia, die Protagonistin des Romans die immer länger werdenden Nächte wahrgenommen haben. Der Titel sagt bereits aus, dass es im Roman um Verwunderndes, Außergewöhnliches geht, in diesem Fall um die Verlangsamung der Erdrotation.
Der Alltag der Menschen nimmt diese so in Anspruch, dass ein Großteil kaum bemerkt, dass die Erde in ihrer Umdrehung begonnen hat sich zu verlangsamen. Eine entsprechende Pressemitteilung erscheint offiziell erst, nachdem die Tage um 56 Minuten angewachsen sind. Die elfjährige Julia und ihre Eltern gehören zu diesem Teil der Bevölkerung. Julias Vater ist Arzt und daher gewöhnt Tag wie Nacht zu arbeiten, doch für Julia wird die neue Situation schnell im Ablauf des Schulalltags sichtbar. Und Julias Mutter beginnt damit, Lebensmittel für eine sich anbahnende Katastrophe zu horten. Jeder versucht sein Leben so normal wie möglich weiterzuleben. Julia verliebt sich zum ersten Mal. Mit fortschreitender Verlangsamung werden die Tage und Nächte immer länger. Als Konsequenz beginnen einige Mitmenschen nach Echtzeit zu leben. Ist dies der richtige Weg um sich dem Problem zu stellen? Oder bleibt man lieber bei der Uhrenzeit?
Ein Jahr voller Wunder wird von Julia in Ich-Form aus der Retrospektive erzählt. Es ist also von Beginn an klar, dass für die Elfjährige nicht das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht, obwohl Julia davon berichtet, dass einige aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit daran glauben. Ich finde, dass die Autorin ihre Schilderung der Abläufe glaubhaft rüberbringt was geschehen würde. Dabei finde ich gut, dass sie keine technischen Details aufführt, sondern sich ganz den zwischenmenschlichen Beziehungen widmet. Ihr Hauptaugenmerk richtet sie auf Julia und ihre Eltern, die in ihrer Persönlichkeit sehr unterschiedlich sind und mir sympathisch waren. Karen Thompson Walker siedelt ihre Geschichte mit einer Ausnahme auf relativ kleinem Raum in Kalifornien an. Ihre Erzählung schafft eine ganz einzigartige Stimmung zwischen Normalität und dem Besonderen der Situation. Mich hat das Buch zum Nachdenken darüber gebracht, ob die geschilderten Ereignisse in der Realität eintreten könnten und ein leichtes Schaudern hat sich eingestellt. An einigen Stellen hätte ich mir aber gewünscht, dass sie besonders zum Schluss nicht immer wieder darauf hinweist, dass dies und das zum letzten Mal für sie geschieht, was meiner Meinung nach die Spannung ein wenig gedämpft hat. Gerne gebe ich eine Leseempfehlung an diejenigen, die Dystopien mögen.