Wie lebt man an einem 60-Stunden-Tag?

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botte05 Avatar

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„Das kalifornische Ehepaar Joel und Helen sitzt mit seiner Tochter Julia gerade am Frühstückstisch, als die Neuigkeit über sie hereinbricht: Die Erdrotation verlangsamt sich spürbar. Und auf einmal ist alles anders.“ – Zitat Klappentext

In „Ein Jahr voller Wunder“ erzählt uns Judith im Rückblick die Ereignisse in dem Jahr, in dem sie 12 Jahre alt wurde und die Verlangsamung der Erdrotation das gesamte weitere Leben beeinflusste. Dieses Ereignis bewirkt, dass jeder Tag länger wird als der vorherige, Klimazonen sich verschieben, Flora und Fauna völlig aus dem Gleichgewicht geraten und allgegenwärtig über allem eine unterschwellige Angst bis hin zur Panik lauert.

Judith’s Mutter leidet an Depressionen und versucht durch intensive Hamsterkäufe wenigstens die Lebensgrundlage aufrechtzuerhalten. Der Vater reagiert relativ gelassen und besonnen auf die veränderte Situation. Judith selbst weiß zunächst nicht, was sie davon halten soll; erst einmal ist es ja spannend. Für sie ist zunächst das einschneidenste Ereignis, dass sie ihre beste Freundin verliert und sie sich unsterblich verliebt. Aber aufmerksam beobachtet sie ihre Umwelt und die Veränderungen. Die Menschen spalten sich in zwei Gruppen: jene, die den Regierungen folgen und den 24-Stunden-Rhythmus ungeachtet der Gezeiten beibehalten und jene, welche sich der Echtzeit anzupassen versuchen, was immer schwieriger wird, je länger ein Tag letztendlich dauert.

Karen Thompson Walker hat sich in ihrem Buch für eine ruhige, sachliche, nicht nach Effekten haschende Schilderung der Ereignisse entschieden. Wer nach einem blutrünstigen Endzeitszenario à la Hollywood sucht, wird hier enttäuscht. In der vorangehenden Leseprobe hat die Autorin es geschafft, „in mir ein Gefühl der Beunruhigung, einer dunklen, unbenannten Erwartung hervorzurufen“. Dieses Gefühl der Spannung geht für mich im weiteren Verlauf des Buches verloren und irgendwann plätschert für mich die Geschichte über die Fortentwicklung der Verlangsamung und deren weiteren Auswirkungen nur noch so dahin und ich hatte Mühe, dieses Buch aufmerksam zu Ende zu lesen. Lediglich die Beziehung zwischen Judith und Seth konnte noch etwas Interesse hervorrufen.

„Ein Jahr voller Wunder“ ist sicherlich kein schlechtes Buch. Die Idee, ein solches Endzeitszenario zu entwerfen und in seinen Konsequenzen zu verfolgen ist grundsätzlich gelungen sowie durchaus nachvollziehbar und vorstellbar skizziert. Daher bleibe ich bei meinen vier Sternen aus meinem Leseeindruck und bin sicher, dass es viele Leser geben wird, die in diesem Buch „aufgehen“ werden.

Rezension: Karen Thompson Walker, Ein Jahr voller Wunder, Verlag: btb, Literatur, gebundene Ausgabe, 320 Seiten, 19,99 €, Erscheinungsdatum: 13.05.2013