Mitten aus dem Leben gegriffen!

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laberladen Avatar

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Darum geht's:

Der 2. Weltkrieg ist vorbei und das Land wird wieder aufgebaut. Auch Anne und Benno werkeln an ihrem kleinen Familienglück mit ihren Zwillingen Lili und Leo. Als der Tischler Benno beruflich nach höherem strebt, verbringt er allerdings immer weniger Zeit mit seiner Familie und Anne kommt auf die Idee, selbst einer Arbeit nachzugehen. Sie will den hart arbeitenden Landfrauen ein bisschen Luxus und Pflege mit ihren AVON-Produkten ins Haus bringen.

So fand ich's:

Anne und Benno sind ganz durchschnittliche Menschen, die mit der großen Politik nichts am Hut haben. Und doch müssen sie mit den Auswirkungen des 2. Weltkrieges leben. Annes geliebter Bruder ist gefallen und Benno versucht vergeblich, seine eigenen Kriegserlebnisse ganz tief zu vergraben. Mit ihren Zwillingen Leo und Lili schauen sie nach vorne, Benno will sich mit einem Möbelhaus etwas aufbauen und Anne ist glücklich mit ihrer Familie. Die unkonventionelle Schwiegermutter reißt Anne immer wieder mit und setzt ihr nach Bennos Meinung Flausen in den Kopf. Durch sie kommt Anne an die Kosmetik von AVON und findet die Idee, die Schönheitsprodukte zu den Bäuerinnen auf ihre Höfe zu bringen, verlockend. So kann sie sich aus einem quasi unsichtbaren Hausfrauendasein befreien, hofft sie.

Ganz nebenbei erfahren wir sehr viel über das Leben in den 50er und 60er Jahren quasi aus erster Hand, denn wir sind mitten im Familienleben der Jensens. Benno zögert, seiner Frau die Erlaubnis zum arbeiten zu geben. Der Schulfreund von Lili und Leo hat keinen Vater, denn der ist in die USA zurückgekehrt und seine Mutter wird deswegen als Schlampe angesehen. Die Grenze zur DDR wird immer undurchdringlicher. Die ersten Telefone kommen in die Privathaushalte. Solche Informationen sind immer wieder eingestreut und schaffen ein rundes Bild der damaligen Zeit.

Aber auch das individuelle Familienleben von Anne und Benno können wir verfolgen. Die glücklich verliebte Zeit genauso wie die Entfremdung, als Benno seine Zeit im Möbelhaus verbringt, wo die "Sexbombe" Claudia als Verkäuferin arbeitet. Besonders gefallen hat mir die flippige Mutter Bennos, die Anne auch immer wieder vorlebt, wie freigeistig und selbständig man auch damals schon als Frau leben kann.

Anne lernen wir als schüchternes junges Mädchen kennen, die sich ihr Selbstbewusstsein und ihre eigene Freiheit erst mühsam erarbeiten muss. Ich fand es erfrischend mitzuerleben, wie sie durch ihre Fahrten auf die Bauernhöfe so einiges erlebt, die unterschiedlichsten Erfahrungen sammelt und im Grunde genommen zusammen mit ihren Kundinnen eine tolle Entwicklung hinlegt. Auch wenn so einiges nicht klappt, sind es die Hindernisse, an denen sie wächst. Und die Schönheitsprodukte, die Anne vertreibt und selbst benutzt, sind nur der Einstieg in eine ganz neue Einstellung sich selbst gegenüber.

Für mich war die Mixtur aus zeitgeschichtlichem Sittengemälde und Familienroman mit kleinen und großen Aufregungen und viel Herz sehr spannend und auch informativ. Mit leichter Hand geschrieben ist die Geschichte von Anne Jensen, der fiktiven ersten AVON-Beraterin Deutschlands, liebevoll und lebensnah geschildert und hat mich wunderbar unterhalten.