Reisende in Sachen Schönheit

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Ein Koffer voller Schönheit, Roman von Kristina Engel, 432 Seiten, erschienen im Droemer TB-Verlag.
Die Geschichte einer der ersten Avon-Beraterinnen Deutschlands, ein lebendiges Stück Zeitgeschichte.
Anne Jensen war bisher eine typische Frau der 50er Jahre, ihr Ehemann Benno und die Zwillinge waren ihr wichtigster Lebensinhalt. Als Benno mit einem Freund ein Möbelhaus eröffnet und er sich immer mehr verändert, will sich Anne auf Anraten ihrer Schwiegermutter, ein eigenes Standbein schaffen, die Firma Avon sucht junge Frauen, die mit Kosmetik Kundinnen zuhause aufsuchen und ihnen die Schönheitsprodukte der amerikanischen Firma vorstellen. Anne zeigt großes Geschick, sie emanzipiert sich und hat bald viele Stammkundinnen, so findet sie Freundinnen und verdient auch gut dabei. Als das Möbelhaus nicht so vielversprechend läuft, hat Benno Probleme mit seiner erfolgreichen Frau. Kann Anne Job und Familie unter einen Hut bringen oder verliert sie dadurch den Mann ihres Lebens?
Das Buch spielt in den frühen Jahren des Wirtschaftswunders, der Inhalt bezieht sich auf die Zeit vom Frühjahr 59 bis zum August 61. Die Autorin hat sich für die auktoriale Schreibweise entschieden, sie schreibt mit viel Zeitkolorit, dadurch ist es dem Leser möglich das Geschehen von vielen Seiten zu betrachten. Rückblicke in die Kriegsjahre beleuchten Zugrundeliegendes umfassend. Die Kapitel sind mit Datumsangaben versehen. Schlagfertige Dialoge beleben das Geschehen. Die Charaktere sind zumeist sympathisch und handeln in die Zeit passend, nachvollziehbar. Besonders die weiblichen Charaktere sind absolut starke Frauen das hat mich ganz besonders fasziniert, allen voran meine Lieblingsfigur Margarete, die Mutter von Benno, die immer wieder für eine Überraschung gut ist. Ein Freigeist, die modern und ihrer Zeit weit voraus erscheint. Anne dagegen wirkte vor allem anfangs altbacken und bieder. Benno erscheint mir unsympathisch und rückständig, sein Machoverhalten hat ihm meist mehr geschadet. Vorschläge seiner Mutter und seiner Gattin hat er aus Trotz abgetan. Seine Kriegserlebnisse haben mich jedoch tief getroffen. Ganz widerlich fand ich den Geschäftspartner von Benno, den schmierigen Karl Steiner.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass bei uns, die Avon-Beraterin zu meiner Mutter und ein paar Nachbarinnen, die sich zum Kaffeekränzchen getroffen haben, gekommen ist. Ihr Koffer war für mich das Höchste, hinterher hab ich als Kind Avon-Beraterin gespielt. Aus nostalgischen Gründen wollte ich deshalb den Roman lesen und bin nicht enttäuscht worden, in Windeseile war das Buch gelesen für mich hätten noch unendlich mehr „Beratungsszenen“ dabei sein können. Nebenbei bekommt die Leserschaft auch noch ein tolles Familiendrama geliefert, geschmückt mit unvorhersehbaren Wendungen und ein dickes Ende das nachfolgt, hier überschlagen sich auf den letzten Seiten die Ereignisse geradezu, da war es fast schon des Guten zu viel. Insgesamt habe ich das Buch genossen, eine herrliche Unterhaltung und die Möglichkeit in vergangene Zeiten einzutauchen.
Eine Empfehlung für Leser die wie ich, die Bücher aus der Wirtschaftswunderzeit mögen. Trotz den familiären Problemen die besonders am Schluss, etwas zu dick aufgetragen sind, verleihe ich 4,5 also 5 Sterne.