Solide

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alasca Avatar

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Killian, ein irischer Zigeuner, hat beschlossen, aus dem Kopfjägergeschäft auszusteigen, zu studieren und eine sesshafte bürgerliche Existenz zu führen. Seinem Auftraggeber hat er als letzten Gefallen versprochen, Spielschulden für ihn einzutreiben.

 Sympathisch fand ich Killians Outlaw-Philosophie, die ihn veranlasst, Gewalt nach Möglichkeit zu vermeiden und seine Ziele durch Menschenkenntnis, Charisma und Sprache zu erreichen. Die smarte Lösung des Schuldnerfalles führt denn auch dazu, dass sich der Tycoon Richard Coulter für ihn interessiert – er lockt ihn mit 500 000 Pfund, sich auf die Suche nach seiner Exfrau zu begeben, die sich mit ihren gemeinsamen Kindern trotz angeblich bestem Einvernehmen abgesetzt hat. Sie wird als labil und drogenabhängig beschrieben, so dass es im Interesse der Kinder zu sein scheint, wenn sie bald gefunden wird. Killian, der sich auf dem Immobilienmarkt verspekuliert hat und glaubt, in dieser Sache auf Seiten der Guten zu sein, sagt zu und merkt bald, dass er mehr abgebissen hat, als er kauen kann.

 

Die Geschichte wird abwechselnd aus mehreren Perspektiven erzählt. Wir bekommen Killians Sicht, die von Rachel, von Coulter und die von dem Killer Markow, der von Coulters Adlatus auf Killian angesetzt wird. Manche Szenen, vor allem die, die aus Markows Sicht geschildert werden, sind extrem grausam und blutig. Erträglich werden sie nur durch McKintys Schreibstil. Seine Sprache ist knapp, was gut zur hard boiled Story passt, manchmal gewollt besonders, was mich am Anfang stellenweise irritiert, aber dann nicht weiter gestört hat. Natürlich entwickelt sich eine Romanze zwischen Rachel und Killian; angenehm ist, dass dies nicht zum null-acht-fuffzehn Happy End führt. Untypisch für einen Helden dieser Couleur auch, dass er seinem Gegner taktisch unterlegen ist und ständig auf die Schnauze fällt, sich aber immer wieder aufrappelt. Dabei – und hier haben wir dann doch das Heldenklischee – beweist er eine völlig unglaubwürdige Widerstandskraft gegenüber schwersten körperlichen Angriffen, die jeden Normalmenschen auf Wochen ins Krankenhaus gebracht hätten.

 

Fasziniert hat mich die Welt der Pavee, irische Nomaden ähnlich der Roma, mit ihrer Absage an den Materialismus als Gegenstück zur Gier der modernen Welt. Die Rückkehr zu seinen Wurzeln bewirkt bei Killian denn auch, dass er sich von seinen früheren Zielen – noch möglichst viel Geld scheffeln, Eigentum horten wie ein Eichhörnchen vor dem Winter – verabschiedet und sich umorientiert. Dabei hatte ich den Verdacht, dass die Pavee mit ihrer kriminellen Ethik zu ideal gezeichnet werden, um glaubwürdig zu sein, aber für die Story funktioniert´s.

 

Irische Geschichte spielt durch die ganze Handlung hindurch eine Rolle; wer mit den Kürzeln der verschiedenen Organisationen jenseits der IRA nicht vertraut ist, kann hier schon mal ins Schwimmen kommen. Man kann sie googeln oder drüberlesen; ich habe mich – ohne Schaden - meist für Letzteres entschieden.

 

Der Verlauf der Handlung ist nicht wirklich überraschend; trotzdem hatte das Buch einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte, und so hatte ich es in zwei Tagen ausgelesen. Normalerweise hab ich viel übrig für offene Enden – dieses war mir aber denn doch ein bisschen dünn und lässt vermuten, dass eine Fortsetzung folgt.

 

Insgesamt hat der Roman weder die oberflächliche Dynamik einer James Bond-Story, noch den Tiefgang eines Don Wilson oder Richard Price. Trotzdem hat er mir mit seinem lakonischen, gut lesbaren Stil mit den pointierten Dialogen und knapp und treffend gezeichneten Charakteren gut gefallen. Kein Meisterwerk, aber solide Unterhaltung auf gutem Niveau.