Bleibt an der Oberfläche

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stoepfel Avatar

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Zunächst wieder vielen Dank für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars. Das Cover und auch der Buchtitel hatten mich so gar nicht angezogen, aber Klappentext und Leseprobe versprachen eine ernsthafte und spannende Geschichte. Die Autorin war mir bis dato unbekannt.
Die Zwickmühle, in die sich die Jüdin Margarete Rosenbaum Ende 1941 durch Identitätstausch mit ihrer toten Arbeitgeberin Annegret Huber begibt, wird deutlich, als Annegrets Restfamilie in Gestalt ihrer beiden Brüder, beide bei der SS, nach ihrer Schwester suchen. Ein tatsächlich lebensbedrohliches Dilemma, das Margarete aber mit viel Geistesgegenwart und einem Quäntchen Glück lange für sich entscheiden kann. Mehr sei zum Inhalt an dieser Stelle auch nicht gespoilert.
Das Buch las sich wahnsinnig flüssig, ein wahrer Pageturner. Das tröstet auch über die ein oder andere Oberflächlichkeit bei der Figurenzeichnung hinweg. Es gibt viele Wendungen, die immer wieder Spannung und Tempo in die Handlung bringen. Tatsächliche Längen gibt es kaum.
Zu bemängeln habe ich die anfänglich häufigen Wiederholungen des Plots (also wie Margarete zu ihrer neuen Identität kam) und später die wenig glaubhafte Zeichnung von bestimmten Vorgängen und Charakteren. Wie wird man Teil einer Widerstandsbewegung? Wie böse sind SS-Männer wirklich? Und was stimmt sie um?
Margaretes Dilemma – Was bin ich bereit zu opfern, um mein Leben zu retten? – ist mir zu wenig beleuchtet, es fühlt sich an wie ein kleiner Zeitraffer, dem man staunend beiwohnt. Etwas unentschlossen changiert das Buch aus meiner Sicht zwischen historischem Roman (der Darstellung der Gefahren, Ängste, Repressionen verfolgter, „nicht lebenswerter“ Menschen) und Liebesroman (immerhin kippt es nicht komplett ins Schnulzige ab). Der Plot bietet Platz für beides, aber es hätte mehr Details bedurft, um wirklich beidem gerecht zu werden. So ist es zwar beides und es ist okay, auch spannend und gut recherchiert, von der Rahmenhandlung stimmig. Dennoch fehlt mir der Fokus auf den ersten Teil, um das Buch als ernsthafte Horizonterweiterung verstehen zu können. Es ist ein guter Einstieg in die Thematik des Dritten Reichs, wird dessen Grausamkeiten aber nicht gerecht.