Rauhe Schale, weicher Kern

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mittelhessin Avatar

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Ove ist mit 59 Jahren in Rente geschickt worden - er fühlt sich wertlos, seine Frau ist vor 6 Monaten verstorben und er ist sehr konservativ und überaus prinzipientreu. Alles im Wohnviertel muss seine Ordnung haben - und wer könnte das besser kontrollieren als Ove? Man könnte auch sagen, er leidet an Kontrollzwang. Und wehe, etwas oder jemand hält sich nicht an die Regeln - und wenn es eine alte Katze auf dem Gehsteig ist - das erregt Oves Missfallen deutlich. Von neumodischem Kram hält er gar nichts und alle, die Dinge tun, die er nicht versteht, tituliert er gerne als Spinner und Trottel. Sein neuer Nachbar, der trotz Fahrverbot im Wohnviertel mit einem japanischen Kleinwagen samt Hänger beim Einparken sein Haus, sein Blumenbeet und dann auch noch seinen Briefkasten niedermäht, bringt ihn vollends zur Verzweiflung. Nur dessen Gattin, die offenkundig Ausländerin ist und zudem noch schwanger, scheint mit ihm auf einer Wellenlänge zu liegen. Ove ist noch längst nicht über den Verlust seiner verstorbenen Frau hinweg, er spricht mit ihr, als ob sie noch da ist.

Zunächst hält sich die Empathie zu Ove in Grenzen, denn seine rechthaberische und kontrollierende Art macht es seinen Mitmenschen im Wohnviertel - und ein Stück weit auch dem Leser - nicht leicht, diesen Protagonisten an sich heran zu lassen. Gefühle sind Ove suspekt, er bevorzugt Zahlen, handwerkliche Fertigkeiten und vertraut auf seine Kraft und seinen gesunden Menschenverstand. Doch der Autor Fredrik Backman versteht es geschickt, in Kapiteln, die auf Oves Leben zurück blicken - auf seine Kindheit, auf sein Berufsleben, seine Jugend, seine unerschütterliche Liebe zu seiner Frau und auf Begebenheiten mit seinem Nachbarn Rune - zu vermitteln, warum Ove so ist, wie er ist.

Dank des frischen, lockeren und ansprechenden Schreibstils hat man als Leser praktisch keine andere Wahl als Hals über Kopf in die Geschichte einzutauchen - man leidet, flucht, lacht und weint mit Ove und seinem Umfeld, schmunzelt über die verschiedenen Charaktere, über Oves Sichtweise und Wortwahl, über bildhafte Beschreibungen von Menschen und Tieren (den kleinen Hund einer Nachbarin bezeichnet er als "Winterstiefel"). Eine große Rolle in der Wandlung von Ove kommt der neuen Nachbarin Parvaneh zu, die Ove mit Natürlichkeit und resolut gegenüber tritt und die es versteht, ihn sukzessive aus der Reserve zu locken.

Die Geschichte von Ove als solche ist sehr unterhaltsam und einfühlsam, - aber es gibt noch eine weitere Seite, die das Buch bewirkt: Der Umgang mit dem Verlust eines geliebten Menschen, mit Krankheit, mit dem Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, der Kampf gegen scheinbar übermächtige Insitutionen und Zwänge aber auch kulturelle Unterschiede werden geschickt in den Kapiteln thematisiert. Da bleibt es nicht aus, dass man als Leser auch über eigene Erfahrungen und Begebenheiten reflektiert.

Nicht umsonst ist "Ein Mann namens Ove" die neue Nummer 1 in Schweden - die Verfilmung ist in Arbeit und bei diesem Buch würde ich sogar das Wagnis eingehen, den Film nachträglich zum Buch anzuschauen. Hoffentlich liest man bald mehr von Fredrik Backman - danke für dieses tolle Buch!