Willkommen im Club der heimlichen Witwen

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"Und überhaupt darf man niemanden dafür kritisieren, dass er sich verteidigt. Das ist nicht nur legal, sondern absolut korrekt und angemessen. Moralisch picobello."

An einem gewöhnlichen Morgen im Lockdown steht Sally mit erhobener Bratpfanne in der Küche und muss sich fragen: Wie wird sie die Leiche ihres Mannes los, den sie gerade erschlagen hat? Statt die Polizei zu rufen, gönnt sie sich ein Stück Torte und ein Schaumbad. Immer dringlicher wird die Frage: Was jetzt? Und genau zum richtigen Zeitpunkt trifft sie auf Ruth, Samira, Leila und Janey, die ebenfalls die Ehemänner entsorgen müssen. Und so entsteht eine Selbsthilfegruppe der etwas anderen Art.

Der Klappentext lässt schon erahnen: Hier wird es düster und schwarzhumorig. Dieses Versprechen löst der Roman vollumfänglich ein, insbesondere in den ersten paar Kapiteln, in denen wir Sally kennenlernen. Wie auch die anderen Frauen war sie jahrelang den körperlichen und seelischen Misshandlungen ihres Ehemannes ausgesetzt, die sich im Corona-Lockdown in ungeahnter Weise gesteigert haben. Bis sie sich eines Morgens wehrt und nicht nur Jims Leben, sondern auch der Gewalt ein Ende setzt. Es ist klar, dass Notwehr vorliegt, aber Sally traut sich nicht, die Polizei zu rufen - zu groß die Angst vor dem Gefängnis, und sie hat ja schließlich schon 27 Jahre in einem verbracht. Das ist sicherlich naiv und blauäugig, und einige der Frauen hätten sich so manche Schererei erspart, wenn sie sich an die Polizei gewandt hätten, aber wo wäre dann der Plot?

Die Autorin sagt im Nachwort selbst, die Geschichte sei natürlich "hanebüchen" und total an den Haaren herbeigezogen: Vier tote Männer in einer Nachbarschaft innerhalb weniger Tage? Unwahrscheinlich. Gleichzeitig: Vier tote Frauen in einer Nachbarschaft? Schon weniger unvorstellbar. Das Buch macht ohne Pardon auf das Thema häusliche Gewalt aufmerksam, stellt die Frage nach moralischer Korrektheit, nach dem Recht auf Gegenwehr und wie weit diese gehen darf. Frauen unterschiedlicher Ethnien, Kulturkreise und Bildungsschichten sind hier vertreten, und mit ihnen die entsprechenden Ehemänner. Casale macht deutlich: Gewalt kennt keine Hautfarbe und keinen Schulabschluss.

Der Zusammenschluss der Frauen ist natürlich ein feministisches Augenzwinkern - nun setzen sich die Frauen füreinander ein, haben ziemlich schlaue Ideen, bringen viel Mut auf, um ihre Taten zu vertuschen und so für ihre Kinder weiterhin da sein zu können. Als es an die Umsetzung des Plans geht, wird es auch mal richtig spannend. Insgesamt ist das Buch sehr leicht und schnell weglesbar, trotz der düsteren Thematik quasi ein "leichter Happen" mit Hoffnungsschimmer am Ende. Nur der "Plottwist" war schon sehr erwartbar. Nichtsdestotrotz ein Buch, das einem breiten Publikum auf leichtest mögliche Weise ein drängendes Thema bewusst machen kann.