DI Wilkins erster Fall

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Simon Masons Kriminalroman Ein Mord im November entführt seine Leser in die traditionsreiche und zugleich düster-atmosphärische Welt der Universität Oxford – und präsentiert ein Ermittlerduo, das unterschiedlicher kaum sein könnte: DI Ryan Wilkins, aufgewachsen im Trailerpark, ungeschliffen und direkt, trifft auf seinen Namensvetter DI Raymond Wilkins, selbst Oxford Alumni und aus der wohlhabenden Mittelschicht stammend. Gemeinsam sollen sie den Mord an einer unbekannten jungen Frau aufklären, deren Leiche ausgerechnet im Arbeitszimmer des Provosts von Barnabas Hall gefunden wurde. Die heiklen Tatumstände fordern äußerstes Fingerspitzengefühl – etwas, das DI Ryan Wilkins absolut fremd ist.
Die Handlung ist durchweg spannend und wendungsreich. Jedes Mal wenn ich dachte den Fall durchschaut zu haben, kam ein neuer Hinweis, der ihn in eine neue Richtung gelenkt hat. Mason versteht es wirklich, seine Leserschaft bei der Stange zu halten und die Ermittlungen mit interessanten Entwicklungen voranzutreiben. Auch zum Schluss ist es ihm gelungen die Handlungsstränge stimmig zusammenzuführen, den Mord aufzuklären und gleichzeitig genug Anreize zu legen, die auf eine Fortsetzung neugierig machen.
Weniger überzeugt haben mich die Figuren. Zwar funktioniert das Spannungsverhältnis zwischen Ray und Ryan als Kontrastprogramm sehr gut, doch wirken beide stellenweise doch sehr überzeichnet. Besonders Ryan gerät fast zur Karikatur: Prollige Sprache, ständiges Im-Schritt-Kratzen, eine nicht zugelassene Waffe und Jogginghose als Arbeitsuniform. Seine ruppige, unsensible Art soll provozieren und bewusst anecken – doch einige seiner Aussagen, insbesondere solche mit rassistischer Färbung oder sexistische Bemerkungen (selbst das Opfer bleibt davon nicht verschont), haben mich beim Lesen ziemlich abgestoßen. Ich finde es persönlich sehr schwierig einer Figur durch die Handlung zu folgen, wenn ich mit ihr selbst nichts anfangen kann, also hat es mir Ryan beizeiten entsprechend schwer gemacht, am Ball zu bleiben. Ich finde es eigentlich sehr bedauerlich, dass alles an ihm so übertrieben dargestellt wurde, denn an sich hat sein Charakter eine sehr interessante Geschichte, aus der man viel machen könnte. Stattdessen habe ich mich neunzig Prozent der Zeit gefragt, wie er diesen Job überhaupt bekommen hat und weshalb er noch nicht gefeuert wurde.
Ray auf der anderen Seite, ist leider auch nicht weniger klischeehaft, nur geht es bei ihm ums Regelbefolgen, den guten Ton treffen und seinen Qualitätsanspruch an Designerkleidung. Bei den Charakteren hätte ich mir einfach etwas mehr erhofft.
Trotzdem: Die Krimihandlung ist klug konstruiert, der Schreibstil klar, stimmungsgeladen und pointiert, und wer sich an schwierigen Figuren nicht stört, wird hier mit einem spannenden Fall und einem interessanten Ermittlerduo belohnt. Ein Mord im November ist ein intelligenter Krimi mit sozialem Tiefgang und originellem Setting – stark in der Handlung, aber mit ausbaufähigen Charakteren, die nicht jeder mögen wird.