Das Wort ist Mord!

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lacastra Avatar

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Warum meine Überschrift der eigentliche Buchtitel sein sollte, was der Autor selbst im Buch macht, warum Hawthorne homophob ist und welche Rolle eigentlich Steven Spielberg spielt, zu all dem später mehr.
Zunächst möchte ich erwähnen, ich bin seit "Das Geheimnis des weißen Bandes" und dem in meinen Augen sogar noch grandioseren "Moriarty" ein großer Fan von Anthony Horowitz, dem entsprechend bin ich aber vielleicht auch etwas kritisch, denn für mich müssen sich neue Werke von ihm immer an diesen beiden Aushängeschildern der Krimikunst messen.
Nachdem ich "Die Morde von Pye Hall" eher mittelmäßig und teils langatmig fand, war ich umso gespannter, ob Horowitz im Auftakt zu seiner neuesten Reihe zu alten Stärken zurückfindet.

Kurz zum Erscheinungsbild des Buches, genau wie die beiden Sherlock Holmes Romane ist auch "Ein perfider Plan" in Leinen gebunden, was nicht nur toll aussieht, sondern dem Ganzen auch eine angenehme Haptik gibt. Hier hat man sich mehr Mühe gegeben, als bei so manch anderer, eilig zusammengebundener Neuerscheinung.

Die Prämisse dieses Buches scheint zu sein, ein Sherlock Holmes -artiges Duo in die Neuzeit zu übertragen, man merkt direkt auf den ersten Seiten, dass Hawthorne den berühmten Detektiv aus der Baker Street zum literarischen Vorbild hat, auch er ist sehr scharfsinnig, scheint alles schon vorher zu wissen und den Fall bereits nach wenigen Seiten gelöst zu haben, wenngleich ihm auch die Eloquenz von Mr. Holmes etwas abhanden kommt.
Doch was wäre Sherlock ohne seinen treuen Sidekick Dr. Watson, und so braucht auch Daniel Hawthorne einen Begleiter, dem er in gewohnt überheblichem Ton seine klugen Gedankengänge erläutern kann...und hier kommt eine echte Überraschung, denn der Begleiter ist kein geringer als Anthony Horowitz selbst.
Das Buch ist getreu den Fallberichten von Dr. Watson auch von Horowitz aus seiner Sicht erzählt, doch der große aber entscheidende Unterschied, Watson war eine erfundene Figur von Sir Arthur Conan Doyle, Horowitz hingegen wagt den größten Fauxpas den ein Autor begehen kann, er schreibt sich buchstäblich selbst in seinen Roman. So ist er der Schriftsteller, der sich mit Hawthorne zusammen tut, um ihn zu begleiten und aus seinem neuesten Fall ein Buch entstehen zu lassen.
Manchmal kam es mir bei seiner Erzählung so vor, als feiert er sich ein Stück weit selbst, für meinen Geschmack erwähnt er ein paar Mal zu oft seine Alex Rider Bücher, Skripte für Fernsehserien etc. die teilweise mehrere Seiten einnehmen und für die Geschichte größtenteils nur marginal relevant sind.
Die Krönung ist für mich ein Meeting von Horowitz mit Steven Spielberg und Peter Jackson, für "Tim und Struppi 2", an der Stelle dachte ich kurz, hoffentlich geht das nicht das ganze Buch über so weiter (es wird dann zum Glück besser).
Allgemein hätte für mich zwischendurch eher der Untertitel "Horowitz ermittelt" gepasst, so sehr rückte Hawthorne zeitweilig in den Hintergrund.
Ab und an jedoch teilt dieser aber auch ein paar Spitzen zu Anthony Horowitz berühmtesten Werken aus, was mich das ein oder andere Mal zum Schmunzeln brachte.

Doch genug des negativen Vorgeplänkels, was einen wirklich guten Krimi ausmacht, sind immer noch eine gute Handlung sowie eine überraschende Auflösung und der ein oder andere gute Twist.
Hier kann "Ein perfider Plan" für mich auf ganzer Linie punkten, denn abgesehen von unseren beiden Hauptfiguren sind durchweg alle Protagonisten sehr facettenreich und interessant, jeder hat sein Päckchen zu tragen oder gar ein Motiv für den Mord...und am Ende kommt dann doch alles ganz anders und unvorhergesehen. Ich mag es wenn ich zwar mitrate, aber doch größtenteils im Dunkeln tappe und am Ende feststelle "oh...Waaas?".
Genau diesen Moment hatte ich, die Story ist durchweg spannend erzählt, immer gespickt mit neuen Wendungen und das Ende kommt sehr unerwartet, aber ist dennoch in sich schlüssig, so muss ein guter Krimi aufgebaut sein.
Auf das Klischee, dass der/die MörderIn am Ende seinen Masterplan erklärt, hätte ich jedoch verzichten können, zumal Hawthorne das ganze dann so ähnlich nochmals zusammenfasst.
Die Chemie zwischen den beiden Hauptakteuren ist duchaus gelungen und erinnert dann und wann an ein Gespräch zwischen Holmes und Watson.
Jedenfalls hat man am Ende ein ungefähres Bild, welch genialer Geist wirklich in Daniel Hawthornes rauer Schale wohnt und hätte gern mehr über ihn und sein Leben / seinen Charakter erfahren.
Sicher braucht ein geistig überlegener Ermittler auch ein paar negative Eigenschaften, nur ist es hier keine Opium- oder Heroinsucht, sondern, so kam es mir zumindest vor, ein Stück weit Homophobie. So äußert sich Hawthorne zu Anfang des Buches recht abfällig und angeekelt gegenüber einem schwulen Zeugen, dass man sich beim Lesen denkt "na dafür gibt es hoffentlich eine halbwegs solide Erklärung".
Fehlanzeige, die bleibt uns Herr Horowitz komplett schuldig, obwohl er den Vorfall am Ende noch einmal erwähnt.
Jedoch bin ich vorsichtig optimistisch, dass man im zweiten Teil, der im englischen schon unter dem Titel "The Sentence is Death" erschienen ist, mehr über Hawthornes Beweggründe, Vergangenheit und Familie erfährt.
Was mich nun noch zu meiner Überschrift "Das Wort ist Mord" bringt, denn Teil 1 hieß im englischen Original "The Word is Murder", was leider in der deutschen Übersetzung komplett verloren geht.
Das wäre eventuell weniger schlimm, würden nicht beide Figuren in den letzten Sätzen des Buches darüber reden, dass der Titel "Das Wort ist Mord" lauten wird, entweder wollte der Übersetzer dies im Buch nicht ändern und zu "Ein perfider Plan" umtexten, oder aber er hat absolut nicht nachgedacht. Vielleicht erscheint der zweite Teil ja dann unter der Überschrift "Ein noch perfiderer Plan".
Ansonsten fand ich die Übersetzung in weiten Teilen gut gelungen, bis auf einige verbale Ausrutscher wie "zerschnitzelt" (ganz ehrlich, niemand verwendet dieses überaus dämliche Wort, hier benutzen es gleich zwei Protagonisten innerhalb weniger Seiten unabhängig von einander).

Alles in allem ist meine ganze Kritik jedoch Nörgeln auf sehr hohem Niveau, denn "Ein perfider Plan" ist weit mehr als nur Durchschnittskost, sondern insgesamt ein fantastisches Buch und ein sehr guter Auftakt zu einer neuen, hoffentlich langlebigen Reihe, denn Potential haben sowohl Autor als auch Detektiv.

Irgendwann fällt im Buch das selbstironische Zitat: "Die Welt hat genug von weißen, mittelalten, mürrischen Detektiven", ich finde jedoch, für einen namens Daniel Hawthorne ist durchaus noch ein wenig Platz!