Englischer Krimi-Charme trifft auf Neuzeit

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happymountain Avatar

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Die gut situierte, ältere – aber gesunde – Witwe Diana Cowper plant an einem hellen Frühlingsmorgen vorsorglich ihre eigene Bestattung in einem Londoner Beerdigungsinstitut. Nur wenige Stunden später ist sie tot. Ermordet. Wie kann das sein? Handelt es sich lediglich um einen Zufall? Hatte sie Feinde? Um diese Fragen zu klären, engagiert die Polizei den Privatdetektiv Daniel Hawthorne, der die Ermittlungen als Berater unterstützen soll. Hawthorne, der gerade etwas knapp bei Kasse ist, nutzt dies wiederum für eine neue Geschäftsidee. Er fragt den ihm bekannten Autoren Anthony Horowitz, ob er diesen mysteriösen Fall begleiten würde, um im Anschluss darüber einen Kriminalroman zu schreiben. Horowitz ist davon zunächst nicht angetan. Mag er den ehemaligen Polizeioffizier nicht einmal sonderlich. Trotzdem hat er das Gefühl, er würde sich hier etwas entgehen lassen, wenn er ablehnte. Also begeben sich die beiden auf die Spuren des ungewöhnlichen Mordes.

Bevor ich zum Inhalt komme, möchte ich unbedingt die Aufmachung des Buchs loben. Allein der Leinen-Einband, das Lesebändchen und die klassische Covergestaltung ohne viel Schnick-Schnack, haben bei mir direkt die richtige Retro-Geschichten-Atmosphäre erzeugt. So etwas wünsche ich mir häufiger!

Das erste Kapitel von „Ein perfider Plan“ beginnt ganz klassisch. So wie eine Kriminalgeschichte eben immer beginnen würde. Doch bereits im zweiten Kapitel wird der Leser überrascht. Anthony Horowitz wechselt in die Ich-Perspektive und erzählt uns, wie es zum Roman kam. Er gibt Anekdoten aus seinem Autoren-Alltag zum Besten, beschreibt sein Verhältnis zu Hawthorne und verrät uns, wieso er Fan von Arthur Conan Doyle ist. Dieser Umstand bleibt auch dem Leser nicht unbemerkt. Schließlich erinnert die Story nicht nur aufgrund des Settings an Sherlock und Watson. Zum Ende des Romans durchbricht der Autor sogar die vierte Wand und spricht den Leser direkt an. Diese etwas andere Art der Erzählung hat mir ausgesprochen gut gefallen.

Recht schnell stoßen die beiden Hauptfiguren während der Ermittlungen immer wieder aneinander. Horowitz als Autor nimmt sich für sein Buch natürlich ein paar dichterische Freiheiten heraus. Hawthorne wiederum, ehemals Polizist, erwartet von ihm ein Aneinander-Reihen von Fakten ohne diese auszuschmücken. Allein die Streitfrage der beiden Hauptfiguren um den Titel des Buchs ist für den Leser sehr amüsant zu verfolgen. Weiß man doch bereits, was auf dem Cover steht.

„Hören Sie. Diese Geschichten heißen nicht Mordopfergeschichten. Sie heißen auch nicht Verbrechensgeschichten. Sie heißen Detektivgeschichten.“ Horowitz zu Hawthorne

Hawthorne ist kein beliebter Charakter. Weder bei Horowitz, noch bei Meadows, der der leitende Beamte in diesem Mordfall ist. Muss der Schreiberling seine Hauptfigur doch zu allen Befragungen und Schauplätzen begleiten, darf er sich auf keinen Fall inhaltlich in die Ermittlungen einbringen. Wehe der Autor gibt anderen Terminen den Vorzug. Da kann es schon einmal passieren, dass Hawthorne sogar ein Treffen zwischen Horowitz, Steven Spielberg und Peter Jackson crasht. Was man Hawthorne jedoch nicht abweisen kann, ist sein Sinn für teils unscheinbare Details. Er erinnerte mich während des Lesens an eine Mischung aus verschiedenen TV-Detektiven. So ist er genial wie der von Phobien und Zwängen geplagte Monk, aber auch genauso gewitzt wie Columbo, passt sich den zu befragenden Personen an und wiegt sie in Ahnungslosigkeit. Er ist mal vorsichtig und sanft, mal barsch und fordernd in seinen Zeugenbefragungen. Und natürlich raucht er überall, ob er darf oder nicht. Genauso ausgeklügelt wie die beiden Fernsehermittler präsentiert auch Hawthorne am Ende die Auflösung des Falls im langen Monolog ohne die kleinste Frage offen zu lassen.

Horowitz versteht es, uns mit lauter kleinen Feinheiten in der Geschichte immer wieder vom Wesentlichen abzulenken. Gerade als ich dachte, ich hab die Lösung gefunden, präsentiert uns Horowitz (oder Hawthorne) wie naiv wir waren, zu glauben, wir hätten den Fall durchschaut. Natürlich fehlt auch das klassische, actionreiche Finale nicht, bei dem sich der Bösewicht um Kopf und Kragen redet. Wie viele Helden hätten schon das Zeitliche gesegnet, würden die Bösen nicht das Bedürfnis haben zu erzählen, wie genial sie gemordet haben.

Dies war mein erstes Buch von Anthony Horowitz und sicher nicht das Letzte. Ich hatte große Freude mit dieser englischen Detektivgeschichte, die komplett anders erzählt wird, als es normalerweise bei Kriminalromanen der Fall ist. Alle Fans von Anthony Horowitz, Arthur Conan Doyle, Holmes und Watson und klassischem, englischem Krimi-Charme kommen hier auf ihre Kosten! Ich empfehle dieses Buch sehr gern weiter!