Ein Haus zur Selbstfindung

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Kristin Valla stellt mit Anfang vierzig fest, dass niemand, nicht mal sie selbst, sie noch als Schriftstellerin bezeichnen würde, obwohl sie zu dem Zeitpunkt schon mehrere erfolgreiche Romane in Norwegen veröffentlicht hat. Allerdings ist das auch schon eine Weile her, zwei Sohne und eine Festanstellung als Redakteurin später ist von ihren früheren Ambitionen nicht viel geblieben. Selbst der Schritt in die Selbstständigkeit und damit verbunden mehr frei verfügbare Zeit helfen nicht beim literarischen Schreiben.
Die Lösung scheint einfach zu sein: Ein eigener Ort zum Schreiben muss her, am liebsten ein Haus im südlichen Frankreich, weit genug entfernt von der Familie und allen anderen Verpflichtungen. Die Autorin macht sich auf die Suche, besichtigt Häuser und entscheidet sich dann für eines in einem kleinen Dorf, das mit viel gutem Willen nur als renovierungsbedürftig zu bezeichnen ist. Einige Wände sind schimmlig, das Dach undicht und die Toilette funktioniert auch nicht - ein wahrer Traum also. Doch Kristin Valla macht sich daran, das Haus trotz aller Widrigkeiten wieder herzurichten und lernt dabei viel über die verschiedenen Handwerke und die Menschen im Ort. Das ist unterhaltsam geschrieben, doch wäre dieses Buch einfach eins über die Schrecken des Renovierens alter Häuser, hätte es mich vermutlich nicht besonders interessiert. Doch die Autorin verknüpft ihre Erfahrungen mit denjenigen verschiedener Schriftstellerinnen vor ihr, angefangen natürlich mit Virginia Woolf und ihrem „Room of Own’s Own“. Doch auch viele andere Schriftstellerinnen haben keine Mühen gescheut, um ein eigenes Zuhause und vor allem einen nur ihnen gehörenden Raum zum Schreiben zu bekommen. Auf diese Weise umkreist Kristin Valla ihr Bedürfnis nach einem Rückzugsort literarisch, wir erfahren von den Schwierigkeiten anderer schreibenden Frauen und lernen gemeinsam mit der Autorin, was letztendlich wirklich wichtig ist: Nur wer sich selbst in Bezug zur Umgebung setzen kann und seine eigenen Bedürfnisse kennt, ist in der Lage, schöpferisch tätig zu sein. An mancher Stelle hätte ich mir vielleicht etwas weniger Bauschutt und dafür mehr philosophische Tiefe gewünscht, aber das schmälert keineswegs das Lesevergnügen. Mich hat das Buch jedenfalls sehr gut unterhalten. Und wer weiß, vielleicht entdecke ich ja auch bald meine Leidenschaft fürs Renovieren.