Brücken bauen

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miro76 Avatar

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Der Vater war Zeit seines Arbeitslebens viel unterwegs. Auf der ganzen Welt baute er Brücken und nur zwischendurch war er Familienvater in Turin. Jetzt verbringt er seine Pension in der Turiner Wohnung, die leer und still geworden ist.

Sein Frau wurde bei einem Autounfall getötet und seine Kinder sieht er kaum. Sein jüngster Sohn lebt in Finnland, seine älteste Tochter ist aufs Land gezogen und mit der mittleren Tochter telefoniert er nicht mal. Da herrscht Funkstille, obwohl es nicht mal einen Streit gegeben hatte.

Endlich soll wieder einmal Leben in die Wohnung einkehren. Seine Tochter mit Familie kommt ihn besuchen und er wagt sich an alle ihre Lieblingsgerichte. Endlicht fasst er den Mut, dass Kochbuch seiner verstorbenen Frau zu öffnen, das alle ihre kulinarischen Geheimnisse enthält.

Doch kurz vor Mittag sagt seine Tochter ab. In der leeren Wohnung will er nicht bleiben. Sie wirkt jetzt noch anklagender.

So macht er sich auf in den Park und lernt dort Elena und ihren Sohn Gaston kennen. Zögerlich lädt er die beiden zum Essen ein und es entspinnt sich eine Begegnung, die für alle Seiten bereichernd ist.

Die Erzählstimme ist die mittlere Tochter. Das fand ich lange sehr befremdlich, weil sie ja keinen Kontakt zum Vater hat. Doch ab der Mitte, wird klar, dass nur die Bühnenschreiberin die Erzählerin sein kann. Sie liebt es, aus alten Bildern Geschichten zu entspinnen und durch die Distanz wird die Geschichte ihrer Familie keine Nabelschau, sondern eine ruhige, einfühlsame Geschichte über den Zusammenhalt unter Geschwistern, die Suche nach Liebe und Anerkennung und den Halt, den die familiären Wurzeln geben können.

Im Zentrum des Romans steht nicht die Begegnung mit Elena. Der Titel verwirrt hier etwas. Im Zentrum stehen die Geschwister, die immer unter dem abwesenden Vater gelitten haben und später seine Anhänglichkeit nicht brauchen können. Schließlich hat immer die Mutter alles zusammen gehalten.

Sie alle müssten ihre Plätze im Gefüge neu finden.

Stilistisch ist das Buch recht einfach gehalten. In leisen Tönen wird erzählt. Nicht immer chronologisch, eher themenbezogen. Wie bei einem langen Gespräch im Familienkreise. Besprochen wird, was grad auf den Tisch kommt, manches kann aufgearbeitet werden, manches muss noch ein bisschen im Raum stehen blieben. Vorwürfe findet man kaum in diesem Buch.

Es ist eine wirklich feine Geschichte über eine Familienstruktur, die wohl gar nicht so selten anzutreffen ist. Mir hat die Lektüre gut gefallen, aber für den fünften Stern hätte sie vielleicht etwas packender oder einzigartiger sein müssen.