Die Brücken zueinander

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Erstmals versucht sich der verwitwete Vater am Herd für ein Mittagessen mit der Familie der älteren Tochter Sonia. Doch ein Unglücksfall bewirkt, dass er auf den durchaus gelungenen Speisen quasi sitzenbleibt. Bei einem Spaziergang lernt er Elena und deren Sohn Gaston kennen und lädt sie zu sich nach Hause ein. Währenddessen erfährt der Leser aber auch, was in der abwesenden Familie geschieht. Und wo Alessandro, der jüngste Sohn, gerade steckt.
Erzählt wird die Geschichte aber von der zweiten Tochter, Giulia, die mit dem Vater keinen Kontakt mehr hat. Längst versöhnt, trifft sie nämlich Jahre später an seinem Krankenbett diese Elena, die als Krankenschwester im selben Spital arbeitet, in dem er liegt.
Durch Giulias Augen lernen wir die Mitglieder der Familie kennen, die eine Familie wie viele andere ist. Sie hat mit Konflikten zu kämpfen, die keine aussergewöhnlichen sind. Und doch ist es eine einzigartige Geschichte. Es geht um Enttäuschungen, Elternschaft, um Unverhofftes und auch darum, sich unfähig und ohnmächtig zu fühlen.
Dass der ältere Herr, dessen Namen wir nie erfahren, Brückenbauer war, passt zum Thema des Romans. Denn er muss auch im privaten Bereich Brücken herstellen, damit wieder ein gutes Einvernehmen mit all seinen Kindern herrscht.
Unaufgeregte Schilderungen in einem ruhigen Stil schaffen ein Bild, das dem Wesen des alleingelassenen Seniors entspricht. Auch dass seine Reaktionen leicht verzögert, langsamer als bei den jüngeren Leuten erfolgen, harmoniert mit der geschilderten Atmosphäre. Dennoch ist genug Spannung, ausreichend Drive vorhanden. Und beim Lesen entwickelt sich Anteilnahme mit allen Protagonisten.
Mir gefällt die gepflegte Sprache, die ohne grossen Aufwand hergestellte Gesamtstimmung, die sparsamen Dialoge. Sehr passend finde ich auch die Gestaltung des Covers, das Einsamkeit vermittelt, sensibel gewählt der Sepiaton. Eine sehr schöne, zu Herzen gehende Lektüre, die ich allen Menschen empfehle, die sich Gedanken um das Familienleben machen.