regt zum Nachdenken an

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palatina Avatar

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„Ein Sonntag mit Elena“ von Fabio Geda ist die Geschichte eines alten Mannes. Sie wird aus der Perspektive seiner Tochter erzählt. Es ist ein zutiefst persönliches Gedenken an einen Vater, der durch die Weltgeschichte gezogen ist, um Brücken zu bauen, dessen Leidenschaft dem Brückenbauen gilt. So sehr, dass er darüber auch schon mal seine Frau und seine drei Kinder vernachlässigt hat. Aber es gibt Momente mit ihm, die sind es aus Sicht der Tochter Wert, erinnert zu werden. Das geht an einigen Stellen aber leider zulasten der Spannung. Ab und zu habe ich mich als Leserin gefragt: Will ich das jetzt wissen? Könnte nicht endlich mal was passieren? Ich hätte mir an einigen Stellen ein bisschen mehr Handlung und etwas weniger Erinnerungen gewünscht.
Die Leidenschaft des Vaters für den Brückenbau geht so weit, dass er Frau und die drei Kinder oft wochenlang alleine zurückgelassen hat. Seine Tochter verurteilt das nicht explizit, sie nimmt eher die Perspektive der Beobachtenden ein, fragt sich, wie ihre Mutter damit zurechtgekommen ist, ob der Vater eine ferne Geliebte hatte. Erinnert Hinweise auf dieses oder jenes. Es geht also auch um die Sichtweise von Kindern auf die Beziehung der Eltern und den unterschiedlichen Umgang damit. Schließlich geht es in der Geschichte auch um seine Frau, die auf ihn gewartet hat und die dann, als beide endlich Zeit füreinander haben, unerwartet durch einen Autounfall aus dem Leben gerissen wird. Sie hat ihn allein zurückgelassen und damit muss er nun zurechtkommen. Letztlich geht es also um die Einsamkeit eines alten Mannes, seine Gratwanderung zwischen dem Bedürfnis nach Zuwendung und der Angst, seinen Kindern damit auf die Nerven zu gehen und sie so von sich zu stoßen.
Dass das Leben seiner Kinder nicht immer mit seinem Leben kompatibel ist, muss der Ingenieur akzeptieren. So kocht er an einem Sonntag ein aufwändiges Essen, zu dem er die Familie einer seiner Töchter eingeladen hat. Letztlich kommt aber keiner, weil seine Enkelin von einem Baum gefallen ist. Ein wenig resigniert geht er spazieren und trifft auf Elena und ihren Sohn. Die Leidenschaft des Sohnes für Skaten hat etwas von seiner Leidenschaft für Brücken. Sie kommen ins Gespräch und spontan lädt er die beiden zum Essen ein. Natürlich erwartet man als Leser/in jetzt, dass etwas Dramatisches passiert. Umso erfreulicher ist es, dass Fabio Geda sich keines Klischees bedient. Die beiden unterhalten sich nur und Elena erzählt von ihrem Mann, der überraschend gestorben ist, von ihrer eigenen beruflichen Perspektivlosigkeit und ihrem einfachen Leben. Der Ingenieur macht ihr Mut, etwas an ihrem Leben zu ändern. Die Atmosphäre bei dieser Begegnung und dem Gespräch der beiden, die kleinen Gesten erzählt Fabio Geda mit viel Einfühlungsvermögen. Das ist wirklich gelungen. Was dieser „Sonntag mit Elena“ im Leben beider letztlich bewirkt, erfährt man an Leser/in aber erst am Ende. Das ist gut so.
Letzten Endes ist es – trotz einiger Längen - ein gut geschriebener Roman, der zum Nachdenken anregt und dazu, einfach mal an einem Tag aus den eigenen ausgetretenen Bahnen auszubrechen und etwas anders zu machen als man es normalerweise tut. Vielleicht auch einfach mal jemanden anzusprechen und zu schauen, was passiert.