Schön erzählt

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helena Avatar

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Titel und Klappentext wecken ein wenig falsche Erwartungen. Der italienische Titel: „Ein Sonntag“ passt schon eher. Um Elena geht es nämlich letztlich nicht, sondern vorrangig, aber nicht nur, um die Beziehungen innerhalb einer Familie. Besonders stehen dabei der Vater sowie seine mittlere Tochter im Mittelpunkt.

Der Vater, der „den Dringlichkeiten in seinem Leben mehr Aufmerksamkeit gewidmet“ hat, „als den Wichtigkeiten“ verlor vor 8 Monaten seine Ehefrau. Er ist schon in Rente, war früher ein großer Brückenbauer, der viel in der Welt umher reiste. Seine nun erwachsenen Kinder leben verstreut und zu seiner mittleren Tochter, deren Leidenschaft dem Theater gilt, hat er seit dem Tod der Mutter keinen Kontakt mehr. Er ist einsam und hatte sich das Leben in diesem Lebensabschnitt ganz anders vorgestellt.
An einem Sonntag kocht er das erste Mal sehr aufwändig, da seine älteste Tochter und seine Enkelin zu Besuch kommen wollen. Doch die Enkelin verletzt sich ernsthaft und muss ins Krankenhaus. Der (Groß-)Vater ist durcheinander, traurig, geht spazieren und lernt zufällig die dreißig Jahre jüngere Elena und ihren Skateboard-begeisterten Sohn Gaston kennen. Auch die beiden haben Schicksalsschläge zu verkraften… und jeder muss Entscheidungen treffen.

Dieser kurze Roman beginnt mit dem Vater als männliche Hauptperson, doch schon bald wird man gewahr, dass die Geschehnisse seine mittlere Tochter erzählt. Anfangs störte mich die Einführung dieser weiblichen Hauptperson, sie überzeugte mich nicht so ganz und irgendwie ergab sich für mich ein Missklang. Ich gewöhnte mich aber an sie und gab mich zu frieden. Sie erzählt, wie es zu diesem etwas besonderem Sonntag kam und wie es danach weiter ging. Zugleich erzählt sie über sich und reflektiert ihre etwas komplizierte Beziehung zum Vater, zur geliebten Mutter, zu den Geschwistern und insbesondere auch die Beziehung der Eltern zueinander. Sie ist dabei nicht allwissend, sondern bleibt stets subjektiv. Sie erzählt bruchstückhaft und in Rückblenden.

Man erhält daher kurze Einblicke in die Familie, wobei vieles nur angedeutet bzw. angerissen wird, einzelne Szenen wirken wie Spotlights, es wird nicht alles ausgeformt, so dass jede Menge Identifikationspotential für Leser*innen entsteht. Ich konnte mich gut hinein versetzen sowie über eigene Erfahrungen und Ansichten nachdenken. Ein zweites wichtiges Thema ist zudem das Leben selbst. Was ist wichtig, was ist realistisch, welche Entscheidungen trifft man.

Alle Figuren wirken, obwohl man sie eher distanziert betrachtet, zumeist recht authentisch. Sie geraten durchaus tief und werden durch die beschriebenen Dynamiken lebendig.

Der Schreibstil wirkte sehr ruhig, fast meditativ, gleichzeitig leichtfüßig auf mich. Der Autor schreibt leise und sehr schön, dabei humorvoll und liebevoll – eine sehr angenehme Mischung!

Die Geschichte wirkt sehr aus dem Leben gegriffen, sehr echt und überhaupt nicht kitschig. Ein zwei Stellen waren mir vielleicht zu konstruiert, aber letztlich ist das Leben selbst ja doch viel verrückter, als man denkt..:) Inhaltlich wird allerdings im Grunde nichts Neues erzählt, mittendrin langweilte ich mich daher fast ein wenig, bis ich doch wieder mitgenommen und auch sehr berührt wurde.

Fazit: Ein ruhiger, besinnlicher und berührender Roman, der sich mit Familienbeziehungen und den Wichtigkeiten des Lebens beschäftigt.