Zufällige Begegnungen

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petris Avatar

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Vor seiner Pensionierung war er Ingenieur, er hat große Brückenprojekte in der ganzen Welt gebaut, war viel unterwegs und hat seine Arbeit geliebt. Jetzt ist er alt, die Kinder erwachsen, eine Tochter aufs Land gezogen, der Sohn im Ausland und mit einer Tochter hat er keinen Kontakt mehr, nicht, weil sie gestritten hätten, sie haben einfach aufgehört miteinander zu telefonieren und jetzt wissen sie nicht, wie sie den Faden wieder aufnehmen sollen.
An diesem Sonntag hat er seine am Land lebende Tochter zum Essen eingeladen. Doch kurz vor der Abfahrt fällt seine Enkelin vom Baum und sie fahren ins Krankenhaus. Das Auto des Mannes ist in der Werkstatt, er kann nicht nachkommen. Also bleibt ihm nichts anderes übrig als zu warten, er macht sich auf einen Spaziergang und lernt an diesem Nachmittag eine Unbekannte kennen, Elena. Zwei einsame Seelen, die ins Gespräch kommen.
Der Roman ist sehr warmherzig geschrieben, sehr realistisch. Die Menschen kämpfen mit ihren Fehlern, ihren Schicksalsschlägen. Sie bemühen sich, und doch gelingt nicht alles. Es geht um Familie, um Zusammenhalt, auch um Einsamkeit und darum, dass es oft nur wenig braucht, um auf den richtigen Weg zu kommen.
„Für ihn, dachte er bei sich, würde es keine Dringlichkeiten mehr geben außer die Zeit zu genießen, die ihm Menschen, die ihm etwas bedeuteten, gewährten. In dem Moment sagte er sich (…), dass sich Dinge nur wiedergutmachen lassen, wenn man Fehler zulässt; wenn man akzeptiert, welche gemacht zu haben; und mehr noch, als es den anderen einzugestehen, muss man es sich selbst eingestehen.“ S. 206
Ich mochte sehr, mit welcher Tiefe und Vielschichtigkeit die Charaktere gezeichnet sind. Interessant ist auch die Erzählstimme, denn es ist die „verlorene“ Tochter, die wie aus dem Off die Geschichte ihres alten Vaters erzählt. Immer wieder mit Rückblenden in die Vergangenheit, ausgehend von jenem Nachmittag als die Familie nicht kommen konnte und der alte Mann Elena und ihren Sohn Gaston kennenlernte.
Ein kleiner, sehr feiner Roman, der sprachlich und inhaltlich überzeugt und wunderschön zu lesen ist.