Irgendwie zu wenig

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larania Avatar

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Irgendwie zu wenig...das beschreibt ganz gut, wie ich mich beim Lesen von „Ein unendlich kurzer Sommer“ gefühlt habe.

Der Klappentext hinten auf dem Buch ist meiner Meinung nach etwas irreführend, er verrät wenig und weckt durch das Zitat eher Hoffnungen auf eine romantisch-sommerliche Liebesgeschichte. Gleichzeitig passt er jedoch durch seine Schlichtheit zum Roman. Der/die Leser/in erfährt, dass sich die Geschichte um vier Menschen drehen wird, die sich auf einem Campingplatz begegnen und eine tiefe, besondere Freundschaft schließen. Klappt man den Umschlag auf, bekommt man mehr Informationen über die Charaktere, was ich sehr schön finde. So hat man direkt einen Überblick oder kann anfangs nochmal nachschauen, wenn einem nicht alle Details und Namen präsent sind (wobei das wahrscheinlich eher nicht notwendig ist, die wichtigsten Figuren kennt man bereits nach den ersten Kapiteln^^).

Und darum geht’s im Detail: Lale flieht aus ihrem bisherigen Leben, trifft auf den alten, mürrischen Gustav und strandet an seinem heruntergekommenen Campingplatz mitten im Nirgendwo. Während sie anfangs nur bleibt, um mit der Vergangenheit abzuschließen, entdeckt sie nach und nach Gustavs warme Seite und die Schönheit des Ortes. Sie hilft ihm beim Renovieren und Herrichten des Campingplatzes – und dann ist da plötzlich Christophe. Er kommt aus Frankreich, hat gerade seine Mutter verloren und ist auf der Suche nach seiner eigenen Identität und Herkunft. Es entwickelt sich eine sanfte Liebesgeschichte und eine Freundschaft, die unterschiedlichste Menschen miteinander verbindet und den Sommer zu etwas ganz Besonderem macht.

Anfangs habe ich mich mit dem Roman schwergetan. Der Prolog ist gut geschrieben und macht sofort Lust auf mehr – allerdings wird dann erstmal aus Christophes Leben erzählt, wechselseitig mit eher monotonen Passagen über Lales Ankunft und ihr Einleben auf dem Campingplatz. Ich konnte anfangs die Charaktere nicht richtig fassen, vielleicht, weil man als Leser/in nur wenig Informationen über sie bekommt. Das zieht sich einige Zeit so, denn mit den ersten Kapiteln verfällt der Roman in eine Art Handlungsschleife: Lale, die auf dem Campingplatz Dinge repariert, für Gustav kocht und versucht, ihr altes Leben und ihr altes Ich hinter sich zu lassen. Manchmal hätte ich mir gewünscht, dass die Handlung hier ein wenig schneller voranschreitet, gleichzeitig spürt man als Leser/in so natürlich auch die entschleunigende Kraft und Stimmung des Campingplatzes.

Als Christophe dann dazu kommt, wird es interessanter…auch wenn mir immer noch etwas gefehlt hat. Klassische Spannung baut der Roman nicht auf – das braucht es auch gar nicht unbedingt. Trotzdem war es mir stellenweise zu wenig. Die Ankunft von Lale auf dem Campingplatz wird in die Länge gezogen, das Entwickeln von Nähe und Vertrauen zwischen Lale und Chris passiert hingegen eher im Hintergrund. Die Geschichte lebt von Gefühlen (denn ihre Handlung ist objektiv betrachtet doch eher plump), aber zeigt diese für meinen Geschmack zu wenig.

Die durch Titel und Klappentext angekündigte Sommeratmosphäre kam nur stellenweise durch und konnte mich nicht überzeugen. Nur gegen Ende bekommt das Gefühl von Freiheit, Unendlichkeit und Sommer seinen Raum. Es wäre schön gewesen, wenn diese Stimmung den/die Leser/in über die gesamte Geschichte begleitet.

Zum Schreibstil lässt sich nicht allzu viel sagen, er ist solide und angenehm zu lesen. Sonderlich viel Spannungsaufbau oder Dramatik sollte man allerdings nicht erwarten, einen klaren roten Faden, an dem sich die Geschichte aufbaut, gibt es nicht. Vielmehr folgt die Handlung einem intuitiven Weg, mal mit Längen, an anderen Stellen eher zu sprunghaft.

Meiner Meinung nach ist der Roman insgesamt etwas zu wenig, vielleicht habe ich aber auch einfach zu hohe Erwartungen. Mir waren die Charaktere nicht nah genug, es war teilweise schwer, sich in sie hineinzuversetzen und mit ihnen mitzufühlen. Die Handlung hätte etwas mehr Emotionen vertragen und vielleicht auch etwas mehr Spannung. Wer einen ruhigen, langsamen Sommerroman erwartet, der anfänglich einige Längen hat, gegen Ende dann tiefgründiger und emotionaler wird, ist hier richtig :)