Positiv überrascht – keine leichte Sommer-Lektüre

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aennie Avatar

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Lale ist auf der Flucht – wovor bleibt lange unklar, und Christophe auf der Suche – wonach wird sehr schnell klar. Beide stehen an Scheidewegen im Leben und treffen sich auf einem Campingplatz in der Provinz. Gustav ist der Eigentümer und ein etwas kauziger, verschlossener Eigenbrötler, hinter dem aber viel mehr steckt, als nur der Platzwart. Nebenan wohnt Flo, der Kaninchen züchtet und gerade versucht sich abzunabeln von mütterlicher Fürsorge und seinen Weg trotz einer körperlichen Beeinträchtigung alleine zu meistern. Als dann noch James eintrifft und Spiritualität und Marihuana mitbringt, ein frühzeitliches Grab einer Hexe auf dem Campingplatz Archäologen und Hippies anlockt, ist ein Szenario komplett, dass einen kurzweiligen skurrilen Roman versprechen könnte. Könnte – zum Glück beschränkt sich die Autorin aber darauf nicht und so entsteht ein Roman voller Tragik und Trauer, natürlich auch mit Liebe und positiven Emotionen, aber eben deutlich mehr als ein sommerlicher Liebesroman in einem speziellen Setting. „Ein unendlich kurzer Sommer“ begleitet diese Menschen ein Stück auf ihrem Weg miteinander und zu sich selbst. Und das ist kein bisschen esoterisch gemeint und gemacht, sondern sehr lebensnah.
Mein einziger winziger Kritikpunkt, ich habe mich des Öfteren gefragt, wann denn so genau „Sommer“ ist, in diesem Roman, in den Augen der Autorin, auf diesem Campingplatz? Alles spielt nämlich ausdrücklich vor den Sommerferien des noch zur Schule gehenden Flo. Aber gehen wir mal von einem sehr sehr warmen Frühjahr aus, in dem auch das Seewasser schon annehmbare Temperaturen hat. Aber im Grunde ist das wirklich das Einzige, was ich anzumerken hätte, einfach weil ich es ein wenig unlogisch fand.
Fazit: ich war wirklich absolut positiv überrascht, dass ich nicht das bekommen habe, was ich eigentlich erwartet habe, nämlich einen locker-flockigen Sommer-Liebes-bisschen Verwicklungen-happy Roman, sondern etwas viel Tiefgründigeres. Mit Menschen auf der Flucht, vor sich selbst, ihren Gefühlen, ihrer eigenen Sterblichkeit und auf der Suche, nach ihrem Weg, ihrer Zukunft, ihrer Eigenständigkeit. Und all das geht natürlich weit über einen Sommer hinaus, der nur ein mini Ausschnitt ist, aber für die Protagonisten eben dieser eine Moment, wo ihre Lebenslinien sich treffen und alles einmal durchgeschüttelt und neu sortiert wird. Dieser Sommer ist deshalb viel häufiger melancholisch und traurig, als sonnig und glücklich, aber er stellt vielleicht die Weichen für ein verändertes und glücklicheres Leben in allen folgenden Jahreszeiten.