Die Welt der Reichen und Schönen

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Meine „Lesebeziehung“ zu Joel Dicker und seinen Geschichten könnte man wohl am ehesten als On-Off-Beziehung bezeichnen: Die Ideen finde ich oft gut, aber irgendwas stört mich dann an der Umsetzung, sodass ich die nächsten 2 Titel auslasse, es erneut versuche usw. Mit „Ein ungezähmtes Tier“ war es mal wieder an der Zeit für einen Versuch.

Die Handlung spielt an einem Hochsommertag in Genf, wo ein Juweliergeschäft ausgeraubt wird – generalstabsmäßig geplant. Kurz zuvor wird Sophies Geburtstag gefeiert – ebenfalls in Genf und sie scheint wie der Juwelier auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen: Sie und ihr Mann verdienen in ihren Jobs in der Bank und der Kanzlei gut, es läuft schlicht gut in ihrer Ehe, so gut gar, dass Nachbarn es ihnen neiden – Nachbarn in einer wohlhabenden Gegend, bei denen es nicht so gut läuft und die eigentlich auch nicht so recht dorthin passen: Karine und Greg, der Sophie geradezu stalkt. Doch wie hängt all das zusammen?

Dicker baut seine Geschichte beinahe wie einen Polizeibericht auf, bei dem die Kapitelüberschriften auf Zeitpunkte eines Zeitstrahls, in dessen Zentrum der Raubüberfall steht, referenzieren. Das gibt dem Gesamtgebilde einen quasi-objektiven Anstrich und so nimmt es sich denn auch aus. Zugleich kontrastiert er die beiden Paare, bei denen in beiden Fällen vieles mehr Fassade als real ist und bei denen es letztlich nur deren Zusammenbruch führen kann. Wie die Zusammenhänge genau sind, sei nicht verraten, denn das macht einen Großteil der eher psychologisch gestalteten Spannung aus. Leider zieht es sich bis zu dem Punkt, wo es spannend wird, doch etwas – daran kann auch Torben Kesslers Stimme und wohldosierter Vortrag nicht viel ändern. Einmal mehr hadere ich mit Dickers Werk, da die Handlung zwar durchaus geschickt konstruiert ist und das Verhalten seiner Figuren zwar stimmig wirkt, sie aber schlicht nicht sonderlich sympathisch sind, und zwar keine. Wie auch in der letzten Geschichte, die ich von Dicker las, geht es vorwiegend um Verquickungen in der Welt der Reichen und Schönen, hier kontrastiert mit Gregs gerade für einen Polizisten doch sehr fragwürdigen Verhalten. Als Buch hätte ich die 3,5 Sterne für die Geschichte vermutlich abgerundet – als Hörbuch zum „nebenbei hören“ komme ich auf 4 Sterne.