Durchwachsene Botschaft

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Inhalt
Lyle und Peg sind seit vielen Jahren verheiratet und freuen sich sehr, dass ihre Tochter Shiloh zusammen mit ihrem Enkel Issac zurück nach Hause gekommen ist. Seit ihr eigener kleiner Sohn dreißig Jahre zuvor als Kind gestorben ist, hadert Lyle mit Gott und seinem Glauben. Anders seine Tochter, die sich einer radikalen Glaubensgemeinschaft angeschlossen hat, mit deren Oberhaupt Steve sie eine Beziehung eingeht. Lyle misstraut den Leuten, seiner Tochter und vor allem seinem Enkel zuliebe schließt er sich den Gläubigen an. Doch dann wird bei Isaac eine Krankheit diagnostiziert und Lyle kann nicht mehr ignorieren, was ihm sein Inneres längst offenbar hat.


Meinung
Butler hat sehr feinfühlig alle Gegebenheiten, die der Leser wissen muss, bereits am Anfang niedergeschrieben und das mit einem genauen Auge für Einzelheiten. Er erzählt ohne zu langweilen, lässt nichts aus und beschönigt nichts. Allerdings verliert er sich mit zunehmender Handlung und lässt das Ganze dann in einem offenen Ende ausklingen, das leider konstruiert wirkt, als hätte er sich nicht entscheiden können, ob er Lyles Glauben weiter prüfen sollte oder ihm einmal etwas Gutes tut. Zudem wirft das Beziehungsgeflecht einige Fragen auf, über die hinwegzulesen nicht ganz einfach ist.
Lyle ist ein kauziger, aber sehr aufrechter Typ, der ein einfaches Leben lebt, aber für sich und seine Familie und sogar die Nachbarn zu sorgen versteht. Die kleine Ortschaft ist ausgedünnt, es sind mehr die Älteren, die sonntäglich in der Kirche zusammentreffen, die meisten Läden sind geschlossen und die meisten gleichaltrigen Freunde sterben so langsam weg. Darum macht es Lyle besondere Freude, seinen fünfjährigen Enkel Isaac bei sich zu haben, ein aufgewecktes und neugieriges Kind. Wer ihn gezeugt hat, wissen die Großeltern nicht, denn Shiloh ist einst von zu Hause ausgezogen, um zu studieren und offenbar an die falschen Leute geraten. Etwas, das ihr weiteres Leben durchziehen wird.
Obwohl Butler gut zu erzählen versteht, täuscht das leider dennoch nicht über eine überaus profane Handlung hinweg, die zudem endet, wo sie eigentlich beginnen sollte. Älteres Paar, Tochter, Enkel. Die Tochter verliebt sich in einen Blender, der sie auf seine Seite zieht. Die Großeltern können nur gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn sie den Enkel nicht verlieren wollen. Lyle durchschaut es gleich, kann aber nichts machen und leidet so vor sich hin, immer in Angst, sowohl um den Enkel, als auch seinen besten Freund, der schwer erkrankt ist. Erst gegen Ende der große Knall, kein Kampf, nur eintöniges Leid.
Gläubige, das muss vorangestellt werden, kommen in dieser Geschichte oft nicht gut weg, es sei denn, sie sind in Lyles Alter. Die meisten anderen sind Übergläubige, die aber nichts vom „wahren Glauben“ verstehen und diesen oft so zurechtbiegen, wie sie ihn brauchen. Und Frauen fallen offenbar wahllos darauf hinein. Irritierend dabei ist vor allem Shiloh – die einst von einem sehr jungen Mädchen geboren und an Lyle und Peg zur Adoption abgegeben wurde. Haben diese beiden es nicht geschafft, ihrer Tochter Selbstbewusstsein und Werte mitzugeben? Die meiste Zeit über scheint es so. Shiloh, die alle Liebe ihrer Eltern, die ja ihr eigenes Kind verloren haben, besitzt und nie ihren Platz hinterfragen musste, sucht offenbar haltlos Anschluss – egal wie und wo. Nur warum, das wird bis zum Ende nicht geklärt. Leider ist schon ihre Mutter auf mehrere dieser Männer reingefallen, auf Shilohs Vater und später ihren Ehemann, mit dem sie drei Söhne hat. Doch als sie stirbt, versucht dieser sich an Shiloh zu vergehen. Aufrechte Fassade, nichts dahinter. Besonders perfide dabei ist, dass Shiloh eben nicht das leibliche Kind, sondern adoptiert wurde. Will der Autor sagen, dass so etwas im Blut liegt („Wie die Mutter, so die Tochter“)?
Shiloh war erst wenige Tage alt, als sie zu ihren Eltern kam. Statt es diesen zu danken, verletzt sie sie immer wieder, meldet sich, kaum von zu Hause fort kaum bei ihnen, sucht offenbar nach etwas, das sie bei Lyle und Peg nicht hatte. Warum Adoption, warum nicht eine leibliche Tochter? Die Frage ist leider ungeklärt geblieben, aber definitiv nicht unwichtig für die teilweise seltsame Botschaft, die Butler hier für den Leser bereithält. Denn Lyle hat sehr viel für seinen Enkel übrig, in dem er quasi seinen Apfelbaum sieht, seine Tochter sieht er gern, aber dass er sie ebenfalls so sehr lieben würde, wird in keiner Zeile deutlich. Sie ist mehr Pegs Kind, die nach dem Tod des eigenen Kindes fast verzweifelt wäre. Später scheint es, Lyle sei an Shiloh gar nicht mehr interessiert, es ging ihm nur um den Enkel. Das hier das eigentliche Problem liegen könnte, darauf kommen weder er noch der Autor.
Es ist seltsam, hinter die Fassade dieser Geschichte, die für die bisher beste aus der Feder des Autors gehalten wird, zu blicken. Das offene Ende lässt alles ungeklärt. Es schließt sich nur eine Art Information als Nachwort an, in der der Leser darüber informiert wird, dass immer mehr Leute ihre kranken Angehörigen gesundbeten wollen, statt sie zu einem Arzt zu bringen. Und ein kleines elfjähriges Mädchen sei 2008 an der gleichen Krankheit wie Isaac gestorben, weil ihr professionelle Hilfe versagt geblieben ist.
Ich habe „Ein wenig Glaube“ gern und auch recht zügig gelesen, werde aber mit der inneren Aussage und ehrlich gesagt auch dem gezeigten Frauenbild leider nicht warm.