Ein einfühlsam erzählter, nachdenklich stimmender Roman

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INHALT
Ein schmerzhaft-schöner Familienroman, der die Macht und die Grenzen des Glaubens mit besonderem Feingefühl erkundet: Lyle und Peg Hovde empfinden es als großes Glück, dass ihre Tochter Shiloh samt Enkelsohn wieder nach Hause zurückgekehrt ist.
Doch bald treibt Shilohs neue Glaubensgemeinschaft einen Keil in das harmonische Familienleben. Als sich abzeichnet, dass auch der fünfjährige Isaac in die Fänge der Sekte geraten könnte, müssen die Großeltern eine folgenschwere Entscheidung treffen, die die Familie vollends entzweien könnte.
(Quelle: Klett-Cotta Verlag)

MEINE MEINUNG
Mit seinem neusten Werk „Ein wenig Glaube“ hat der US-amerikanische Autor Nickolas Butler erneut einen eindrucksvollen, sehr emotionalen Roman vorgelegt – mit einer bewegenden, aufwühlenden und erschütternden Geschichte, die von einer wahren Begebenheit inspiriert wurde und äußerst nachdenklich stimmt.
Sehr einfühlsam wirft er in seinem Roman Fragen zu Glauben und Religiosität auf und beleuchtet zudem das sehr heikle Thema wie man irrgeleitetem Glauben und Machtmissbrauch im Namen des Glaubens begegnen sollte.
Erzählt wird die Geschichte aus Sicht des Großvaters Lyle Hovde, der mit seiner Frau Peg, ihrer adoptierten, alleinerziehenden Tochter Shiloh und ihrem kleinem Sohn Isaac in einer Kleinstadt im ländlich geprägten Wisconsin lebt. Nach Jahren der Entfremdung zu ihrer Tochter haben sie gerade wieder zusammengefunden und die liebevollen Großeltern genießen überglücklich die Zeit mit ihrem aufgeweckten 5jährigen Enkelkind. Doch die herzerwärmende Harmonie wird schon bald getrübt, denn Shiloh wendet sich einer christlichen Glaubensgemeinschaft zu und geht eine Beziehung mit dem jungen, charismatischen Pastor Steven ein, der in dem kleinen Isaac einen Wunderheiler sieht. Lyle und Peg wollen dem Glück ihrer Tochter nicht im Wege stehen, doch wird Stevens fataler Einfluss immer deutlicher und die kostbaren Familienbande drohen auf immer zu zerreißen.
Der sehr gefühlvolle und warmherzige Schreibstil des Autors hat mich schnell gefangen genommen. Butler versteht es, Stimmungen und Bilder mit viel Feingespür einzufangen und eine ganz besondere Atmosphäre zu schaffen. Geschickt hat Butler seinen Roman in die vier Jahreszeiten untergliedert und die Geschehnisse symbolträchtig mit dem Jahresverlauf verwoben. Sehr einfühlsam, facettenreich und lebensnah hat Butler seine Figuren charakterisiert, wodurch wir uns gut in sie hineinversetzen können. Wir nehmen Anteil an in ihren Zweifeln, Sorgen und Nöten aber auch an bewegenden Momenten und ihrem kleinen Glück in ihrem eher beschaulichen Leben. Große Sympathien bringt man dem bodenständigen und sehr fürsorglichen Lyle, aber auch seiner herzensguten Frau Peg entgegen – beide halten an den guten alten Traditionen fest, das Wohlergehen ihrer Liebsten und engen Freunde geht ihnen über alles. In Rückblicken erhalten wir wichtige Einblicke und prägende Ereignisse aus ihrem Leben –ihr Kennenlernen, der tragische Tod ihres kleinen Sohns Peter oder die Adoption ihrer Tochter Shiloh. Lyles Glaube wurde in der Vergangenheit auf eine harte Probe gestellt und schwer erschüttert, so dass sehr gut nachvollziehbar ist, dass Lyle sich viele Gedanken zum Glauben und seinen Zweifeln macht und den vermeintlich tiefen Glauben anderer hinterfragt. Als sich die Ereignisse immer mehr überschlagen und er hilflos mit ansehen muss, wie sich eine Katastrophe mit fatalen Konsequenzen abzeichnet, steckt Lyle in einem großen Dilemma, aus dem es keinen einfachen Ausweg gibt, da das Glück seiner Familie auf dem Spiel steht. Gekonnt fängt Butler Lyles Hilflosigkeit, Gewissenskonflikte, innere Zerrissenheit und sein Ringen um die richtige Entscheidung ein, und lässt uns mit ihm leiden
Äußerst anschaulich zeigt Butler in seinem Roman die Folgen von fanatischem Glauben und erschreckenden Gefahren von falsch verstandenem, blindem Gottvertrauen auf.
Religiöser Fanatismus und christlicher Fundamentalismus sind leider längst keine Randerscheinung mehr und beschränken sich nicht nur auf die US-amerikanischen Gesellschaft. Inzwischen gibt es zahlreiche radikal-religiöse Glaubensgemeinschaften mit erzkonservativen Wertvorstellungen und schockierenden, radikalen Ansichten zum Gesundheitssystem, Abtreibung, Homosexualität, Evolution oder der Stellung der Frau.
FAZIT
Ein leiser, einfühlsam erzählter Roman, der mich völlig in seinen Bann gezogen und mit seiner erschütternden Geschichte sehr nachdenklich gestimmt hat.