Gefährlicher Glaube

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Der dritte Roman von Nickolas Butler beginnt mit einer Szene auf dem Friedhof. Lyle Hovde spielt mit seinem fünfjährigen Enkel Isaac Verstecken. Zuvor haben sie das Grab von Peter, dem bereits als Baby gestorbenen Sohn von Lyle besucht. Trotz der vermeintlichen Schwere genießt Lyle jeden Augenblick, denn er liebt Issac über alles. Nach Jahren der Distanz ist Lyles Adoptivtochter Shiloh vor kurzem in die Kleinstadt in Wisconsin zurückgekehrt und lebt jetzt wieder bei Lyle und Peg. Für das seit vielen Jahren verheiratete Paar könnte das Leben fast perfekt sein, wäre da nicht Shilos Glauben. Aus dem rebellischen Teenager ist eine tiefreligiöse Frau mit sehr strengen Überzeugungen geworden. Besonders Lyle tut sich schwer damit, denn er geht zwar sonntags zum Gottesdienst, aber das gehört im ländlichen Wisconsin dazu. Seinen Glauben an Gott hat er mit dem Tod seines Sohnes verloren. Das hindert Lyle aber nicht daran, eine lange und tiefe Freundschaft zu Charlie, dem Pastor seiner Gemeinde zu pflegen.

Shiloh zu Liebe besuchen Lyle und Peg sogar den Gottesdienst ihrer Glaubensgemeinschaft. Anfangs skeptisch und sogar ein bisschen amüsiert, wächst die Sorge um Tochter und Enkel, als Shiloh mit dem charismatischen Prediger Steven zusammenzieht. Alte Konflikte brechen auf, schließlich kommt es vorübergehend zum Bruch. Doch aus Sorge um Isaac bemüht Lyle sich weiterhin, seinen Einfluss nicht ganz zu verlieren.

Auf knapp vierhundert Seiten wird eine Familiengeschichte aus der Sicht von Lyle erzählt. In seinem Leben hat es einige Tiefschläge gegeben und er hadert seit dem frühen Tod seines Kindes mit Gott. Aber er liebt auch seine Frau und das beschauliche Leben, das er mit ihr führt. Dazu gehört schwere körperliche Arbeit, ein paar Freunde, die ihm wichtig sind und die Landschaft, in der er lebt. Und natürlich Isaac, den er beschützen will.

Lyle ist kein Mann großer Worte, er wirkt manchmal etwas unbeholfen, aber er kann zupacken. Über weite Strecken begleitet man ihn folgerichtig bei seiner Arbeit und den Gedanken, die sich auch immer wieder um Glaubensfragen drehen. Manchmal diskutiert er diese mit Charlie und seinem ältesten Freund. Dadurch entsteht eine sehr männlich geprägte Sichtweise auf die Dinge. Im Gegensatz dazu bleiben die weiblichen Charaktere eher blass, ihr Handeln oft unverständlich. Insbesondere Peg empfand ich als sehr widersprüchlich, ihre Handlungen konnte ich nicht immer nachvollziehen. Shiloh ist als Charakter aufgrund ihrer strengen Überzeugungen, die schließlich zur Katastrophe führen, wenig liebenswert.

Der Einfluss von Sekten auf das Leben in der beschriebenen Weise ist mir fremd und vielleicht auch ein bisschen zu klischeehaft gezeichnet. Andererseits gibt es ausreichend Belege dafür, der Autor bezieht sich in einem Nachwort ausdrücklich auf einen realen Fall.

Trotz einiger Kritikpunkte habe ich auch diesen Roman von Nickolas Butler gerne gelesen. Seine Stärke liegt eindeutig in sehr genauen Beschreibungen von einfachen Menschen und deren Geschichten, die in ihren Grundfesten erschüttert werden. Der Roman erfordert allerdings ein bisschen Geduld, große Spannungsbögen gibt es nicht. Butler ist ein Meister der leisen Töne.