Sehr guter Einstieg, dann aber nur lauwarm umgesetzt

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gaia Avatar

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Nickolas Butler zeichnet in seinem Buch eine Welt, die - zumindest für uns Deutsche - ur-amerikanisch erscheint. Der 65jährige Lyle lebt in einer Kleinstadt in Wisconsin, arbeitet auf einer Apfelfarm, trifft sich mit seinen Kumpels und trinkt dazu ein Bierchen. Sonntags geht er mit seiner Frau in die Kirche. Nun kommt in diesers Lebensmodell die Mitte 20jährige Tochter mit ihrem 5jährigen Sohn Isaac. Die Tochter gehört einer extremen Glaubensgemeinschaft an, die im Klappentext und auch einmal im Buch "Sekte" genannt wird, eigentlich aber kaum unterscheidbar wirkt von Evangelikalen Christen in den USA.
So dreht sich der Roman durchgängig um das Leben von Lyle und hauptsächlich seine Einstellung zum Thema Glaube und Religion. Der Spannungsbogen wird dabei leider nicht sehr straff gespannt. Die Geschichte dümpelt eher lauwarm vor sich hin, nachdem ein feinfühliger Einstieg zur Opa-Enkel-Beziehung mehr verspricht. Man wartet die ganze Zeit darauf, dass etwas passiert, aber es passiert nur wenig. Die Figuren kommen nur selten und dann recht schleppend in Aktion. Dabei gewinnt der Plot nur an wenig Tiefe, man bindet sich nicht sonderlich an die Figuren.
Ab und an musste ich an Kent Harufs "Unsere Seelen bei Nacht" aufgrund der Figurenkonstellation und dem sozialen Milieu denken. Nur schafft dieser auf nur 200 Seiten eine starke emotionale Dichte herzustellen, was Butler so leider nicht gelingt. Bezüglich der Glaubensthematik musste ich wiederum an den kürzlich gelesenen James Baldwin mit seinem Meisterwerk "Von dieser Welt" denken. Hier schafft dieser dem antheistischen Leser eine extreme Glaubensgemeinschaft nahezubringen, was Butler auch nur mäßig gelingt.
So bleibt dieser Roman leider insgesamt nur mittelmäßig und hinter anderen Autoren weit zurück.