Vom Glauben, vom totalen Glauben, vom wenig Glauben...

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laberlili Avatar

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Vor der Lektüre war mir bereits bekannt, dass die Handlung von „Ein wenig Glaube“ lose an tatsächliche Geschehnisse angelehnt ist, wobei ich nicht wusste, an was genau; im Anschluss an den Roman wird darauf hingewiesen, welche Begebenheit hier als Inspiration diente und ich fand es, im Nachhinein betrachtet, sehr gut, dass ich zwar von vornherein wusste, dass zumindest „sowas Ähnliches“ wirklich passiert sein musste, ich das aber nicht genauer eingrenzen konnte. Ich denke, hätte ich vor der Lektüre bereits gewusst, was genau in unserer Realität passiert war, hätte mich der Roman deutlich weniger gefangengenommen: So dachte ich nach ungefähr dem ersten Drittel: „Bitte, bitte nicht das!“, als mir sehr, sehr Übles schwante. Nach ungefähr der Hälfte hatte ich einen anderen, nicht minder deprimierenden, Verdacht, auf was „Ein wenig Glaube“ hinauslaufen könnte und diese Spannung passte gut zur Atmosphäre, die „Ein wenig Glaube“ auf mich ausstrahlte. Wer leicht getriggert ist, sollte aber wohl unbedingt zuvor in Erfahrung bringen, welche reale Begebenheit hier zu Grunde liegt, denn unterschwellig suggeriert die Handlung ohne jedwede Pause, dass da alle Schlechtigkeiten hochkochen könnten.

„Ein wenig Glaube“ wirkte auf mich sowohl trostlos als auch bildgewaltig; ich hatte ständig eine eher eintönige, abgelegene Landschaft vor Augen, in der ständig Steppenläufer, häufiger als Autos, die Straßen kreuzten und in der das Leben noch beschaulich war – da schlug dann Shilohs Glaubensgemeinschaft, die sich neuerdings in der nächsten Stadt niedergelassen hatte, nahezu wie eine Bombe ein und mischte zumindest das Leben von Shilohs Adoptiveltern, bei denen sie, zumindest vorläufig, mit ihrem kleinen Sohn Isaac erneut eingezogen war, deutlich auf. Ihre Mutter scheint eher ruhig und fürsorglich, bleibt in der Geschichte aber eher im Hintergrund; die Handlung konzentriert sich sehr stark auf Lyle als Dreh- und Angelpunkt. Lyle hat sich schon vor Langem von seinem christlichen Glauben gelöst; als Atheist würde ich ihn nicht bezeichnen, eher als Agnostiker; was hier zum Konfliktmotiv wird, denn Shiloh hat sich eben zwischenzeitlich dieser obskuren Glaubensgemeinschaft angeschlossen, mit deren Priester Steven sie anbändelt – die Gruppierung ist streng gläubig, streng christlich und der kleine Isaac wird von Steven als „Heilsbringer“ angepriesen, der Leute durch Handauflegen heilen kann und über den gebetet wird. Isaac wird also quasi ein Heiligenstatus angedichtet und während ihm die Teilnahme an den Gottesdiensten immensen Spaß bereitet; immerhin trifft er da regelmäßig auf Gleichaltrige; überfordert ihn sein neuer „Status“ bald und Lyle und Peg sehen besorgt, wie sehr sich Isaac plötzlich verändert und zudem geht es ihm auch körperlich immer schlechter, was von Shiloh und ihrem neuen Partner aber abgetan wird, die überzeugt sind, dass alles gut wird, wenn man nur (für Isaac) betet. Schlimmer noch: Lyle, der sich gemeinsam mit Peg sogar auf Besuche der Gottesdienste, die Steven in einem stillgelegten Kino abhält, eingelassen hat, wird aufgrund seines mangelnden Glaubens plötzlich brüsk von Shiloh verwiesen, da seine Zweifel quasi „Satan einladen“ und Gott nicht wirken lassen. Lyle ist daraufhin der Verzweiflung nah, zumal sein Enkel und er bis dahin immer absolut dicke miteinander gewesen waren; soll er etwa einfach vorgeben, zurück zum Glauben gefunden zu haben? Aber Stevens Gruppierung wirkt so extrem und auch die einst rebellische Shiloh gibt sich plötzlich als bibeltreue, dem Mann unterworfene Dienerin, wobei alles erahnen lässt, dass sie hemmungslos manipuliert wird und sich tatsächlich selbst eher unwohl fühlt… Die Religion fungiert hier quasi als ein Damoklesschwert, als schmaler Grat, über den gewandert wird. Dabei habe ich „Ein wenig Glaube“ nun weder als pro Religion noch als anti Religion empfunden, sondern eher als Plädoyer abzuwägen, was man guten Gewissens tolerieren kann und wo man besser eine Grenze zieht. Aber klar, die Kritik am Auftreten der beschriebenen Glaubensgruppierung ist deutlich, bezieht sich aber vor Allem darauf, dass man professionelle (medizinische) Hilfe von außen ablehnt und da eher ausschließlich auf „die Kraft der Gebete“ zurückgreift.

„Ein wenig Glaube“ ist nicht nervenzerreißend spannend und auch, wenn es letztlich sehr dramatisch wird, ist die Geschichte doch keinesfalls überzogen; insgesamt habe ich den Roman als leises Familiendrama, das in einem deutlichen Höhepunkt mündet, empfunden. Interessant, nachdenklich machend und gut geschrieben wird „Ein wenig Glaube“ wohl zwar dennoch nicht zu einem meiner Allzeitlieblingsbücher werden; dazu hat es mich dann doch etwas zu wenig beeindruckt, aber insgesamt handelt es sich hierbei eben doch auch um Literatur, die ich vermutlich mit den Jahren nicht einfach vergessen werde.