Von der Beschaulichkeit des Landlebens

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wandablue Avatar

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In dem Roman „Ein wenig Glaube“ möchte der Autor das fatale Glaubensleben mancher pseudo-christlicher Gemeinschaften problematisieren, bei denen Angehörige nicht zum Arzt gebracht werden, wenn sie ernstlich erkrankt sind, sondern „gesundgebetet“ werden. Im kurzen Nachwort „Anmerkung des Verfassers“ bezieht sich der Autor auf den Fall der elfjährigen Madeline Kara Neumann in den USA, die Diabetes Typ 2 hatte, aber aus Glaubensgründen nicht behandelt wurde und starb. Die Dunkelziffer ähnlich gelagerter Fälle wird hoch sein, schätzt man.

Lyle und Peg sorgen sich um ihren Enkel Isaac. Zu ihrer Tochter Shiloh haben sie eher ein unentspanntes Verhältnis. Sie lieben sie, aber Liebe allein genügt nicht immer. Shiloh findet keine Erfüllung in der Art beschaulichen Landlebens, in dem das Ehepaar aufgeht. Lyle dagegen liebt dieses Leben, die Arbeit auf der Obstplantage eines Freundes, die bierseligen Abende mit seinem Freund Hoot, die Sonntage in der antiquierten Kirchengemeinde mit immer denselben Personen und Liedern. Es ist eine Kirchengemeinde, in die man nicht geht, weil man an Gott glaubt, sondern weil man das eben so tut. Lyle und seine Frau lieben diesen ganzen geregelten Zyklus der Jahreszeiten und den Rhythmus ihres gemächlichen Lebens.

Der Autor bildet in seinem Roman ein positives und sehr beschauliches, sogar betuliches Bild vom Landleben ab. Die Beschaulichkeit dieses Lebens hat der Autor wirklich wunderbar eingefangen. Seine Schönheit, seinen Ablauf, die Genügsamkeit und innere Zufriedenheit, die man im Genuß desselben erlangen kann, aber eben auch seine Begrenzungen. Es ist ja nicht so, dass man sich nicht auch auf dem Land die Sinnfrage stellen könnte. Kann man. Antworten, findet Lyle, gibt es aber keine. Damit muss man sich abfinden. Das tut Shilo aber nicht. Sie will mehr.

Was den Konflikt angeht, zwischen dem konservativen Glaubensleben der Eheleute in ihrer ältlichen Gemeinde und dem ungestümeren und fordernderen Glaubensleben ihrer Tochter und deren Gemeinschaft, ist mir der Autor in seiner Darstellung oft zu plakativ. Da ist die Gemeinschaft schon deshalb der Sekte verdächtig, weil sie eine Band haben und ihre Sessel plüschrot sind, weil die Tagungsstätte ein altes Kino ist. Da sehe ich einen Seitenhieb auf die Evangelikalen, die oft in dieser Weise organisiert sind, z.B. das Babylon in Berlin, aber auch anderswo. Deren Pastoren und Verantwortliche und auch diejenigen von anderen Denominationen sind jedoch nicht deswegen schon Lumpen. Überhaupt sind die einen gut und die anderen böse in Butlers Roman. Er macht es sich ganz schön einfach! Solche Schwarzweißmalerei mag ich überhaupt nicht.

Einig sind wir uns selbstverständlich darin, dass es mehr als verwerflich ist, seinen Glauben an whatsoever über das Kindeswohl oder Angehörigenwohl zu stellen.

„Ein wenig Glaube“ ist vor allem ein wunderschöner Lobgesang auf das Land- und Familienleben einfacher Leute. Die Beschaulichkeit des Landlebens steht absolut im Vordergrund und ergibt uneingeschränktes Lesevergnügen. Allmählich werden dann auch ernste Themen angeschnitten, doch kratzt der Roman dabei nur an der Oberfläche und verwendet viele plakative Elemente, deshalb mein

Fazit: Das ist mir olls a bisserl zu easy.



Kategorie: Gute Unterhaltung
Verlag. Klett-Cotta, 2020