Gibt es den freien Willen?

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meldsebjon Avatar

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60 Jahre nach dem Geschehen in Brownsburg, Virginia, setzt sich ein damaliger Zeitzeuge hin und schreibt alles auf, um es der Nachwelt zu hinterlassen. Wie viel davon nach so langer Zeit Fiktion sein mag, sei dahingestellt. Auf jeden Fall ist eine eindrucksvolle, einfühlsame und ausweglose Geschichte entstanden, die den Leser nicht mehr loslässt. Und das, obwohl die da beschriebene Welt für einen Mitteleuropäer des 21sten Jahrhunderts sehr fremd sein muss.

Charlie Beale kommt also im Sommer des Jahres 1948 in Brownsburg an. Er schaut sich die Stadt und die Menschen in Ruhe an und entscheidet dann, dass er bleiben will. Er findet Arbeit in einer Metzgerei und freundet sich mit dem sechsjährigen Sohn des Inhabers an. In der Stadt geht das Leben so seinen Lauf, ohne sich besonders zu verändern. Man heiratet, stirbt, bekommt Kinder, geht zur Kirche. In eine der vielen Kirchen, welche ist egal, solange sie nur zur Hautfarbe passt. Ausserhalb dieser Kleinstadt gibt es noch andere Menschen, die noch ärmer sind, noch weniger Bildung besitzen. Eine davon holt sich der reichste Mann aus Brownsburg, Harrison "Boaty" Glass zur Ehefrau, weil er im Ort selbst so unbeliebt ist, dass keine ihn heiraten möchte. Und diese Frau, Sylvan, hat Träume. Kaum hat Charlie sie gesehen, ist es um ihn geschehen, kann er nur noch von ihr träumen, an sie denken.

Beide steuern unaufhaltsam dem Abgrund entgegen. Da ist kein freier Wille mehr, der sie abhalten könnte. Nichts kann die Katastrophe verhindern. Das wird schon sehr bald klar. Wie diese genau aussehen wird, erfährt man erst spät.

Dieses Buch kann man kaum aus der Hand legen, so spannend ist es geschrieben. Anfangs fällt es schwer, sich das Leben zu der Zeit und an einem solchen Ort vorzustellen. All die Zwänge, denen man ausgesetzt ist, die ständige Beobachtung, unter der alle, ganz besonders aber die Neuankömmlinge, stehen. Und auch die Schwarzen. Man erfährt sehr deutlich, dass Rassenschranken von beiden Seiten errichtet und bewahrt werden. Obwohl der Erzähler scheinbar neutral alles berichtet, wird schnell klar, wer er ist und weshalb er manche Dinge damals zwar wahrgenommen aber nicht verstanden hat. Umso intensiver kann man sich aber in das Geschehen, in die Ausweglosigkeit hineinversetzen.

Das ist ein ganz großes Buch! Bitte mehr von dieser Sorte!