Trügerische Kleinstadtidylle

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kristall Avatar

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Ein wildes Herz ist ein Buch, dass einen innerlich zerreisst. An einigen Passagen liebt man es abgöttisch, an anderen wiederum möchte man es beleidigt in die Ecke legen, weil man es nicht versteht und doch immer weiter lesen muss. Mit den Charakteren verhält es sich ebenso. Einerseits liebt man sie, andererseits versteht man sie nicht und hin und wieder kann man sie nicht leiden. Aber gerade das fesselt mich an dem Roman. Diese widersprüchlichen, nicht nachvollziehbaren und dennoch absolut faszinierenden Handlungen.
Der Roman spielt im Jahr 1948, kurz nach Ende des 2. Weltkrieges. Diese Nachkriegsstimmung hallt im gesamten Buch nach und gibt ihm damit noch mal einen ganz eigenen Flair. Der Ort des Geschehens ist Brownsburg im Staat Virginia, eine auf den ersten Blick idyllische Kleinstadt, doch dass dieser Schein trügt, merkt man sehr schnell, als Charlie Beale mit zwei Koffern voller Geld das Szenario betritt und die Kleinstadt auf seine Weise aufmischt. Charlie kann sehr geschickt mit Messern umgehen und findet deshalb schnell Arbeit beim ortsansässigen Metzger, freundet sich sogar mit der Familie an. So weit, so gut. Mit seinem Geld stehen ihm alle Türen offen und so interessiert er sich bald für Grundstücke und die verheiratete Sylvan. Sylvan finde ich als Charakter grenzenlos gelungen, denn sie ist der Exot in der Stadt, gibt sich unkonventionell mit allem, was bei den Dorfbewohnern nur Kopfschütteln verursachen kann. Von der Kleidung, bis zum Make up und ihrem persönlichen Style. Das erscheint auf dem ersten Blick merkwürdig, aber wenn man sich die Mühe macht hinter die Fassade zu schauen, merkt man schnell, dass Sylvan das Glamourleben als Schutzwall vor der Realität braucht. Zum Überleben. Das macht ihre merkwürdige Figur liebenswert und auch verständlich. Sie ist so unangepasst und schön, dass sich Charlie Hals über Kopf in sie verliebt. Diese Affäre ist das zentrale Thema des Buches, das in seinen Seitenhandlungen alles aufgreift, was eine Kleinstadt in der USA zu bieten hat. Schwarze und Weiße, die Kirche und die Fesseln der Gesellschaft.
Interessant finde ich die Erzählweise durch Sam, dem Sohn von Alma, der die Geschichte erst von einem sehr viel späteren Zeitpunkt aus erzählt. Das macht die Geschichte plastisch und man kann sie auch durch die zeitliche Distanz des Erzählers betrachten. Ein sehr gelungenes Buch, wie ich finde, dass Spass zu lesen macht und nur ungern aus der Hand gelegt wird. Ich werde das Buch meinen Freunden und Bekannten gern empfehlen und sehr gerne auch verschenken.