Kein schönes, aber umso mehr wichtiges Buch

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waldeule Avatar

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Der Titel und auch der erste Blick auf das Cover lassen eine kitschige Winter-/Weihnachtsgeschichte vermuten. Doch in dieser Kategorie passt dieses Buch ganz und gar nicht.

Denn es ist alles andere als ein gemütliches Wohlfühlbuch. Für mich ist es aber ein Buch, das zwar anstrengend zu lesen war, bei dem ich aber sehr froh bin, es gelesen zu haben. Ein wichtiges Buch, denn es hat mir einen Einblick in eine ganz andere Lebensform ermöglicht und dadurch meinen Blick auf die Welt erweitert. Wohnungslose werde ich in Zukunft mit anderen Augen sehen.

Cobert erzählt vom erschreckend schnellen Fall Philippes in die Obdachlosigkeit von Paris, dem entwürdigenden Leben als Clochard und seinen Anstrengungen, dem Teufelskreis von Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit zu entfliehen. Der Autor schafft es mit meisterhaft wenigen Worten, sehr distanziert und ohne viele Erklärungen, ein Gefühl für Philippes Situation, stellvertretend für alle anderen Obdachlosen, zu entwickeln. Es sind sehr kurze Kapitel, die aber umso mehr den Leser auffordern, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Sprachlich wirklich ein Genuss.

Dennoch oder vielleicht gerade deshalb musste ich mich durch das erste Drittel des Buches quälen, denn der stetige Abstieg Philippes ohne wirkliche Möglichkeit, dem gegensteuern zu können, hat mich zermürbt. Erst als er ganz „unten“ war, konnte ich mich richtig auf das Buch einlassen. Seine Freundschaft zu Baudelaire, dem liebenswürdigen Hund und die daraus entstehenden menschlichen Kontakte sind sehr anrührend, teilweise einen Tick zu märchenhaft. Für mich war die entscheidende Botschaft, dass jeder Mensch irgendwann Hilfe benötigt und diese auch annehmen kann/soll/muss. Eine sehr schöne, warmherzige Aussage – also doch das perfekte Weihnachtsbuch, allerdings in jeder Jahreszeit genießbar.

Fazit: Sollte jeder einmal lesen!