Wunderschön traurig!

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sasto19 Avatar

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Dies ist ein wunderschön geschriebenes aber auch trauriges Buch über die offensichtlich unerwarteten Dinge, die das Leben mit sich bringt... 

Zum Autor: Harold Cobert, 1974 in Bordeaux geboren, hat Literatur studiert. Nach einem Surfunfall im Alter von zwanzig Jahren begann er zu schreiben. Er ist Theater-, Film- und Fernsehautor und hat in Frankreich unter anderem eine Reihe Essays über Mirabeau veröffentlicht. EIN WINTER MIT BAUDELAIRE ist sein erstes Buch, das auf Deutsch erscheint.

Zur Handlung: Die Katastrophen scheinen Philippes bisher geordnetes Leben zu dominieren: Seine Frau wirft ihn aus der Wohnung und verbietet ihm zudem den weiteren Kontakt zur gemeinsamen Tochter, solange er nicht selbst eine neue Unterkunft gefunden hat. Traumatisiert verbringt er zunächst die Tage im Büro und in billigen Hotels, hat Misserfolge im Job und verliert letztendlich auch diesen. Der Anstieg ist vorprogrammiert: Keine Arbeit, kein Geld und keine bezahlbare Unterkunft. Philippe findet sich schon bald auf der Strasse wieder. Sein größtes Problem ist aber nicht seine Verarmung sondern die Tatsache, dass er keinen Kontakt mehr zur Tochter bekommt.

Auf der Strasse scheint er sich äußerlich seinem Schicksal zu fügen und driftet immer mehr ab. Eines Tages begegnet er jedoch einem Hund, der ihm aus einer brenzligen Situation heraus hilft. Er wird sein ständiger Begleiter, macht ihm Mut und eröffnet ihm wieder Zugang zu seinem Umfeld. Die Möglichkeit, seine Tochter zusehen, rückt langsam wieder näher...

Mein Fazit: Da ich ein großer Fan einfühlsam und melancholisch geschriebener französischer Literatur bin, hat auch dieses Buch meinen Erwartungen sehr entsprochen und mich hierzu nicht enttäuscht.

Cobert greift ein Thema auf, das uns näher liegt, als man vielleicht denkt. Denn wenn man nicht mehr Teil einer Gesellschaft sein kann, die in geregelten Bahnen läuft, verschließt diese sehr schnell die Augen vor dem Schicksal des Einzelnen und man stürzt alleine in seinem nicht gewollten Abstieg, soviel man auch versucht, gegen die Strömung zu rudern.

Soziale Kontakte verabschieden sich, die Welt nimmt einen nicht mehr wahr und man kann noch froh sein, wenn man einen eigenen Platz im täglichen Kampf mit bzw. gegen andere sozial Ungewollte erlangt. Begleitet wird er von zunehmender Einsamkeit und Selbstzweifeln, die Gefahr des Alkohols liegt nahe.

Dieses Buch hat mich wirklich sehr berührt und zugleich auch fasziniert. Mit seiner eigenen poetischen Sprache schafft Cobert es geschickt, seinen Protagonisten Philippe zwar einerseits mitten ins nüchterne Geschehen zu katapultieren aber trotz allem mit seinem liebevollen Schreibstil immer einen positiven Funken anzudeuten. Philippe ist Beobachter und Akteur, alles Liebgewonnene im Leben stürzt über ihm zusammen, doch letztendlich gibt er die Hoffnung nie auf, die soziale Leiter wieder empor zusteigen, Kontakt mit seiner Tochter aufzunehmen und die aufgebauten Barrieren seiner Frau zu umschiffen.

Sein kleiner Wegbegleiter hilft ihm zumindest, sich in seinem ungewollten Leben um etwas kümmern zu können. Der Hund baut ihm mit seinem tierischen Charme eine Brücke, wieder positive menschliche Kontakte aufzunehmen.      

Ein tolle, sensible aber auch erschreckende Lektüre, die dem Leser deutlich macht, hier nicht wegzuschauen. Unbedingt lesen!

Passend hierzu findet man am Ende des Buches zudem ein Schlusswort von Cobert selbst sowie weitere Hinweise auf Kontaktadressen von entsprechenden Organisationen in Deutschland sowie Österreich und Schweiz. Harold Cobert selbst unterstützt ein neues Projekt in Paris, welches sich effektiv dafür einsetzt, Obdachlose nachhaltig zu unterstützen (Organisation Le Fleuron, Paris).