It’s (not only) a man’s world

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Bonnie Garmus‘ „Eine Frage der Chemie“ ist mein bisheriges Highlight in diesem noch kurzen Lesejahr – allerdings wird es für weitere Bücher schwierig sein, da noch ranzureichen.

Ich könnte nun hingehen und versuchen, die Geschichte im Stile eines chemischen Versuchs zu beschreiben, was gut passte. Doch dabei würde ich mir vermutlich so sehr einen abbrechen, dass es dem Buch nicht gerecht würde. Versuchen wir es daher mit einer Skizze der Geschichte und den Gründen für die Begeisterung: Die Handlung ist im Kalifornien der frühen 1960er Jahre angesiedelt, Protagonistin ist Elizabeth Zott. Sie ist so ganz anders als die meisten Frauen um sie herum, nämlich forsch, schlau, manchmal auch ein wenig kratzbürstig – vor allem aber will sie sich nicht damit abfinden, was man ihr als ihr „naturgegebenes Habitat“ zuweisen will, sondern sie will Chemikerin sein. Ein Ding der Unmöglichkeit, außer für Calvin Evans, der sich in sie verliebt und dessentwegen sie ihr Leben dann umgestalten muss. Doch weil Elizabeth sich nicht dauerhaft beirren lässt, bekommt sie auch das hin – denn letztlich ist für sie das gesamte Leben Chemie, also auch Kochen und sie drückt einer Kochsendung ihren Stempel auf …

Was macht das Buch so besonders? Nun, auf den ersten Blick klar erkennbar seine Protagonistin. Sicher, außergewöhnliche, auch kämpferische Frauen sind in der Literatur nicht selten, doch Elizabeth ist in ihrer Andersartigkeit auch so pragmatisch – und damit vermutlich sehr nah an der damaligen Realität. Es kommen einige weitere bestimmende Figuren dazu, die der Geschichte zusätzliche Themen hinzufügen: Da wäre allen voran natürlich Calvin, Elizabeth‘ große und zu früh gestorbene 2. Hälfte, sodass das Thema „Wenn du glaubst, es wird besser, versetzt dir das Schicksal noch ein paar weitere Schläge“ hinzukommt und auch den Kampf nimmt Elizabeth auf. Flankiert werden die beiden von einigen mehr oder weniger wichtigen Figuren, die Garmus teilweise durchaus (überspitzt) plakativ gestaltet und die letzten Endes als Leinwand für Elizabeth bzw. für die Themen, die Garmus vermitteln will (unbedingte Liebe zu jemandem oder etwas, Emanzipation, Kämpfen um das, was einem wichtig ist gegen alle Widerstände usw.), fungieren. Vor allem mit den Herren der Schöpfung geht Garmus wenig zimperlich vor … Die zweite Zutat, die das Buch so besonders macht, ist Garmus‘ Stil: Man will kaum glauben, dass dies ein Erstlingsroman ist. Denn Garmus erzählt in lockerem Plauderton, dabei aber geistreich und witzig, gewürzt mit einem lakonischen Tonfall, den sie allen voran Elizabeth anschlagen lässt. Natürlich könnte man Garmus vorwerfen, dass sie bei Figuren und Setting (Forschung in den 1960er Jahren, Kalifornien) holzschnittartig vorgeht, doch wenn man ehrlich ist, wird man sehen, dass wir heute in vielen Punkten trotz allen Fortschritts nicht viel weiter sind. „Eine Frage der Chemie“ ist ein Buch, das mich für die Lesedauer brillant unterhalten hat und dem ich (nicht wie anderen zu schwachen Büchern) eine Verfilmung wünschte, am liebsten mit einer der „üblichen Verdächtigen“ aus der alten Hollywoodriege (Katherine Hepburn oder die vielfach unterschätzte Doris Day).