Originelles Debüt, da passt die Chemie perfekt

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elke seifried Avatar

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Die Chemikerin Elizabeth Zott hält sich, nachdem sie wegen einem unehelichen Kind in ihrem Forschungsinstitut gefeuert wurde, als alleinerziehende Mutter mit ihrem privaten Küchenlabor mehr schlecht als recht über Wasser. Eine gehörige Wende nimmt ihr Leben, als sie bei TV- Produzent Walter Pine mit den Worten, »Ihre Tochter isst den Lunch meiner Tochter.«, auf der Matte steht. Dieser ist so verdutzt und gleichzeitig beeindruckt vom forschen Auftreten Elizabeths und ihren klaren Ansagen wie, „Ein Mann kann seinem Kind Lunch machen. Das ist keine biologische Unmöglichkeit.“, dass er beschließt sie für seine Lücke im Nachmittagsprogramm zu vermarkten. „Essen um sechs ging vier Wochen später auf Sendung. Und obwohl Elizabeth die Idee nicht unbedingt begeisternd fand – sie war schließlich Forschungschemikerin –, nahm sie den Job aus den üblichen Gründen an: Er war besser bezahlt, und sie hatte ein Kind zu versorgen.“

Als Leser darf man Elizabeth Zott nun bei ihren Kämpfen mit dem Produzenten und bei ihren Sendungen, bei denen Chemieunterricht und Nachhilfe in Emanzipations- und Lebensfragen mindestens genauso wichtig sind, wie wohlschmeckende Gerichte, begleiten. Gleichzeitig erfährt man in Rückblicken davon, wie schwer sie es als Frau in den 1950er/60er Jahren, von den vielen Anfeindungen und Intrigen ihrer Kollegen und Vorgesetzten, die sie als einzige Frau nicht im Sekretariat, sondern in der Forschung, zu ertragen hatte. Man bekommt zudem eine, wenn auch viel zu kurze, ganz besondere Liebesgeschichte geboten, denn obwohl nie mit dem berühmten Chemiker Calvin Evans verheiratet, kann sicher ohne tiefe Gefühle »Bin ich süchtig nach ihr? Bin ich irgendwie krankhaft abhängig? Hab ich vielleicht einen Gehirntumor?« »Menschenskind, Sechs, das nennt man Glücklichsein«., nicht gelten. Mehr will ich gar nicht verraten.

Bonnie Garmus ist hier ein Debüt gelungen, das mich grandios unterhalten hat. Es sind solch kleine spitzen Formulierungen, wie „Die Sekretärin hatte ihn nur deshalb in die Operette eingeladen, weil sie aufgrund seiner Bekanntheit annahm, er sei reich, und er hatte in Reaktion auf ihr penetrantes Parfüm mehrmals geblinzelt, was sie als »furchtbar gern« fehlgedeutet hatte.“, und schlagfertige Dialoge von denen es in diesem Roman nur so sprudelt, die einfach Spaß machen beim Lesen. Schräge, besondere und gerade deswegen liebenswerte Darsteller sorgen nicht nur für ein Plus an guter Laune, sondern auch jede Menge Herzenswärme. Die Autorin vermag sich wortgewandt, spritzig und pointiert auszudrücken, gar keine Frage. Ihrer gescheiten Hauptdarstellerin legt sie zudem viele bildungssprachliche Ausdrücke in den Mund, die davon zeugen, dass sie ihr Handwerk, das Schreiben, gelernt hat. Richtig begeistert hat mich Garmus auch mit ihrem Endspurt und Finale, das mich mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht zurückgelassen hat.

Die selbstbewusste, logisch denkende, rationale Elizabeth, die alles ihrem großen Wunsch anerkannte Wissenschaftlerin zu werden, hintanstellt, konnte mich sofort für sich gewinnen und ich habe diesen Roman mit dieser originellen Hauptfigur regelrecht gelebt. Sie ist mit ihren Eigenheiten mehr als gelungen gezeichnet. Auch alle anderen, bei Calvin Evans, dem etwas verschrobenen Wissenschaftler angefangen, über die vierjährige Madeline, Elizabeths und Calvins hochintelligente Tochter, die sich im Alter von vier Jahren originell witzig und geistreich zeigt, bis hin zu Harriet, der Nachbarin, die helfend Elizabeth helfend zur Seite steht, um ihrem Ehemann zu entkommen, sind großartig dargestellt. Ein besonderes Highlight war für mich Halbsieben, ein äußerst intelligenter Ex-Bombensuchhund, der Findelhund, der eine zum Glück nicht zu kleine Rolle spielt und sich seine eigenen klugen Gedanken zum Geschehen macht.

»Als Nächstes geben Sie eine großzügige Prise Natriumchlorid dazu …« »Warum kann sie nicht zur Abwechslung mal Salz sagen?«, zischte Walter. »Warum?« »Mir gefällt, dass sie so schlaue Wörter benutzt«, sagte Rosa. »Dann fühl ich mich so – ich weiß nicht – tüchtig.«

Ich mach mich jetzt auch mal tüchtig ans Kochen und wünsche viel Vergnügen beim Lesen, dieses gelungenen Debüts, das mich mit einer besonderen, liebenswerten Hauptdarstellerin, einer amüsanten Geschichte und einem scharfzüngig, spritzigen Schreibstil punkten kann.