Carrie Bradshaw in den 1930er Jahren

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Einer meiner ersten Gedanken war beim Lesen: Das könnte auch das Entrée zu einer Folge "Sex and the City" sein. Carrie und Mr. Big auf einer Vernissage. Sie betrachten ein Bild auf dem ein Verflossener des männermordenden Quartetts zu sehen ist. Und aus dem Off hört man wie immer einen treffsicheren Kommentar der durchgestylten Kolumnistin. Der Ort stimmt, nur die Zeit nicht. Während Carrie und ihre Freundinnen das New York um die 2000er Jahre bevölkern, beginnt die Geschichte von Amor Towles 1966 mit einer brennenden Frage. Was geschah zwischen 1938 und 1939 das Tinker Greys Abstieg auf den Fotos der Vernissage dokumentiert?

Silvesterabend 1937. Eve Ross und Katey Kontent versuchen den letzten Abend des Jahres mit 3 Dollar in der Tasche in einer Jazzbar zu überstehen. Bereits um 22.00 Uhr haben sie alles vertrunken, ohne vorher ihrem Magen eine Nahrungsgrundlage gegeben zu haben. Als der distinguierte Tinker Grey die Bar betritt und durch sein vornehmes Wesen und seine teure Kleidung auffällt, beschließen die beiden seine Bekanntschaft zu machen. Den Jahreswechsel betrinken die drei dann bereits zusammen mit Champagner, den selbstverständlich der reiche Bankier spendiert. Eve und Katey scheinen mit dieser noch jungen Freundschaft das große Los gezogen zu haben, im New York das noch immer von der Depression aus dem Jahr 1929 gezeichnet ist.

Die Leseprobe zu "Eine Frage der Höflichkeit" scheint auf einen einfühlsamen, sprachlich anspruchsvollen Roman hinzudeuten. Schwingungen der Gefühle, Bilder der Stadt alles wird in sprachlichen Nuancen lebendig. New York und seine Bewohner, die Bars, Straßen und die Zeit. Diese spannende, aufregende aber auch elende Zeit nach der großen Wirtschaftkrise und vor dem 2. Weltkrieg. Towles lädt zu einer Reise in diese Zeit, in dieses New York. Ich kann mir nichts besseres zum Lesen vorstellen, als dieser Einladung zu folgen.