Die Müdigkeit der New Yorker Bohème

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Amor Towles fängt in seinem Gesellschaftsroman das Portrait der verlorenen amerikanischen Generation der 1930er Jahre ein, die müde ist vom Aufsetzen soziokultureller Masken und nicht mehr so recht weiß, wo hin sie mit sich soll. Hier geht es weniger um die Geschichte an sich, die wenig spektakulär ist, sondern um das erzählerische Auffächern eines Zustandes, der im Manhattan der Dreißiger das gesellschaftliche Panorama prägt. Mit einer gewissen Distanz blickt das ältere Ehepaar im Prolog aus dem Jahr 1969 auf diese Zeit ihres jungen Erwachsenseins zurück, in der sie alle Krisen und Niederlagen aber auch Erfolge, Affären, Lieben und Glück durchlebt und durchlitten haben. Wie sich ihre Biografien und die ihres Umfeldes im New York von 1937ff gestaltet und entwickelt haben, davon handelt der Roman.

Towles hat einen sehr schönen Erzählstil, der von einer deskriptiven und metaphernreichen Sprache geprägt ist. Ich denke es ist ein leises Buch, das von seiner erzeugten Atmosphäre und Detailgenauigkeit lebt. Man fühlt sich tatsächlich hineinversetzt in das New York der Jazztrompeten, Gesellschaftsereignisse und dandyhaften Junggesellen, aber auch in das der beginnenden Vereinsamung und Armut, die durch die Anonymität der pulsierenden Großstadt immer spürbarer wird. Ein eindringlicher Roman, den ich gerne in seiner ganzen epischen Breite auf mich einwirken lassen würde.