Skurill, schräg, aber berührend

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kattig Avatar

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Das Buch handelt von einer alten, isländischen Frau mit Namen Herbjörg, die ihren letzten Lebensabschnitt in einer Garage im Krankenbett mit ein paar persönlichen Dingen verbringt und von ihrem Leben erzählt.
Die Ausflüge in die bewegte Vergangenheit sind zwar in Erzählform, aber die einzelnen Kapitel sind nicht immer chronologisch oder wirklich zusammenhängend, sondern schließen meistens in sich ab.

Der Schreibstil und die verwendete Sprache sind leicht zu lesen, verständlich und sehr direkt, was hervorragend zu der schrulligen Frau passt. Man kann Herbjörg sehr schnell einschätzen bzw. erkennen, dass die 80 jährige Frau etwas schräg ist.
Sie hat mehrere Facebook Accounts, natürlich mit diversen Namen (einmal ist sie zum Beispiel eine ehemalige (längst verstorbene) Schönheitskönigin, natürlich mit zugehörigem Bild) und Kontakten zu verschiedenen Männern weltweit über deren Emails sie sich dann köstlich amüsiert.
Und dann beginnt sie von ihrer Kindheit zu erzählen (geboren 1929), von ihrer Zeit als einzige Isländerin in Deutschland während des zweiten Weltkriegs, von ihrem Vater, der als Nationalsozialist in den Krieg ziehen wollte und von ihrem Großvater, der der erste isländische Präsident gewesen war.
Unterbrochen werden die Ausflüge in Herbjörgs Vergangenheit durch die Gespräche mit ihrer Pflegerin Loa, in denen Herbjörg die junge Pflegerin immer wieder auffordert "endlich mal einen ranzulassen", auch wenn ihr das Sprechen aufgrund des regelmäßigen Rauchens schwer fällt und ein paar Sätzen sofort die Atemnot folgt.
Herbjörg erinnert sich daran, wie John Lennon sie küsste und dass daraus nicht mehr wurde, weil sie in dem Augenblick an den Tod ihrer Tochter denken musste oder an ihre Begegnung mit Sartre in einem Pariser Bistro.
Sie hat einige Ehen hinter sich, 3 Kinder, von denen sich keines um sie kümmert und trotzdem schildert sie ihre Vergangenheit bunt, schonungslos, zynisch, direkt und so lebensnah, dass man als Leser keinerlei Probleme hat sich die Geschichten und ihre Personen vorzustellen.

FAZIT:
Das Buch liest sich rasch, es ist prall gefüllt mit Herbjörgs Geschichten und man fliegt als Leser durch ihr Leben, muss manchmal über die erfrischende Offenheit lachen und gleichzeitig bewundernd den Kopf schütteln, denn nicht alles was Herbjörg in ihrem Leben erlebt hat, ist erstrebens- oder beneidenswert.