Anders als erwartet

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„Ich falle jetzt. Aber diesmal ist es real. Anders als Sie vielleicht weiß ich, dass ich sterbe. Und deshalb habe ich weniger Angst davor.“ – S. 30

Liest man die ersten Kapitel von Joe Hammonds kurzer „Geschichte vom Fallen“, erwartet man genau das, was der Untertitel dieses Buches verspricht: Zu erfahren, was der Autor beim Sterben über das Leben lernte.
Leider wird wenig später deutlich, dass sich die Erzählung ganz anders entwickelt als zu-nächst erwartet und vom Klappentext suggeriert. Dieser verspricht, dass Hammond mit „tief-traurigem Humor beschreibt, wie es ist, sich der eigenen Vergänglichkeit so radikal bewusst zu werden und dabei das Leben zu lieben wie nie zuvor“. Richtig ist dabei, dass sein Humor vor allem eines ist: tieftraurig. Nicht richtig ist aber, dass sich dieses Buch schwerpunktmäßig mit Joe Hammonds Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit und dem Fortschreiten seiner schweren Motoneuronerkrankung auseinandersetzt.

Vielmehr handelt es sich um einen autobiografischen Text, der vor allem von der Vergangen-heit handelt. Es werden die mitunter sehr schwierige Kindheit des Autors, sein bis zu seinem Tod problematisches Verhältnis zu seinen Eltern und seine ständige Suche nach seinem Platz im Leben aufgearbeitet. Dabei tritt die Auseinandersetzung mit seiner Krankheit sehr in den Hintergrund und gerät oftmals zum Nebenkriegsschauplatz, der lediglich in einem Nebensatz Erwähnung findet.

Die Stimmung des Buches ist dabei überwiegend bedrückend, da sich schnell das Gefühl ein-stellt, Joe Hammond sei lange Zeit sehr unglücklich gewesen und sein tragischer Tod nur das natürliche Ende seiner tragischen Existenz. Die schönen Momente, die er mit seinen beiden Kindern und mit seiner Frau Gill erlebt, scheinen hierüber nicht hinwegtrösten zu können und nehmen im Buch auch eine eher untergeordnete Rolle ein. Das ist sehr schade, da Klappentext und Leseprobe lebensbejahende Wertschätzung für die kleinen, oft viel zu selbstverständli-chen Dinge im Leben versprechen.

Schade ist auch, dass die Geschichte viele Zeitsprünge enthält, die es wenig strukturiert und wirr erscheinen lassen. Es entsteht der Eindruck, als hätte der Autor „einfach drauflosge-schrieben“, um alles festzuhalten, was er vor seinem Tod nochmal sagen wollte. Verständlich und authentisch, angesichts der wenigen Zeit, die ihm noch blieb. Nichtsdestotrotz ist sein Stil bisweilen unangenehm zu lesen.

Die Sätze sind teilweise sehr lang und bemühen umständliche sprachliche Bilder, die leider aufgrund der unsauberen Übersetzungsarbeit und der zahlreichen Schreibfehler seitens des Verlages oft jedes Sinns entbehren. Ich muss dazu bemerken, dass ich ein Leseexemplar der 1. Auflage erhalten habe, das möglicherweise vom Verlag nur rudimentär korrigiert wurde. Je-denfalls aber muss der Verlag hier dringend nachjustieren.

Es bleibt abschließend festzuhalten, dass dieses Buch zwar insgesamt eine interessante Erzäh-lung beinhaltet, jedoch den aufgebauten Erwartungen nicht gerecht zu werden vermag. Wer hofft, etwas über den Umgang mit der schweren Krankheit Joe Hammonds und seine Kon-frontation mit dem eigenen Tod zu erfahren, der wird hier leider enttäuscht werden. Wer je-doch bereit ist, sich auf die Lebensgeschichte eines Mannes einzulassen, der es im Leben wahrlich nicht leicht hatte, der wird in der „Kurzen Geschichte vom Fallen“ eine vor allem unter psychologischen Gesichtspunkten spannende Erzählung finden.