Beschwerliche Biografie

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mianna Avatar

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Joe Hammond beschreibt in der "kurzen Geschichte vom Fallen" seinen Alltag mit der Motoneuron-Erkrankung und seinen Abschied vom Leben.

2019 verstarb der Autor nach zweijähriger Krankheit in England. Sein Roman umfasst mehr als die angekündigte Auseinandersetzung mit dem Sterben. Hammond bezieht sich viel auf biografische Erfahrungen seiner Kindheit und seines Erwachsenenalters und fasst diese im Rückblick zusammen.

Die Authentizität des Themas ist eindringlich. Joe Hammond wird sterben und gibt Einblicke in sein Leben. Das Buch ist thematisch in Kapitel unterteilt und zeigt Bilder aus dem Familienalltag. Diese Struktur macht das Lesen angenehm, ebenso die thematische Zuordnung. Die Bilder vermögen zu berühren und erzeugen Sympathie. Hammond erzählt von den unberechenbaren Stürzen, vom Moment der Diagnose und der Auseinandersetzung mit der Erkrankung. Die Beziehung zu seinen Kindern und seiner Frau spielt eine große Rolle, ist emotional sehr einnehmend. Hier wird deutlich wie sich der Abschied gestaltet und er sich um deren Zukunft ohne ihn sorgt.

Anders als erwartet geht es darüberhinaus zum großen Teil rückblickend um sein Aufwachsen. Die schwierige Beziehung zu seinen Eltern, seine entbehrungsreiche Kindheit machen deutlich wie er sich durch das Leben kämpfen musste. Die Erkrankung wirkt wie eine dazu passende natürliche Entwicklung und steht fast schon in Konkurrenz zu seiner glücklichen Partnerschaft und der zu kurzen Elternschaft. Das macht die Erzählung noch bedrückender als sie ohnehin schon ist.

Hammond hat anfänglich eine sehr humorvolle, fast schon unbeschwerte Ausdrucksweise. Einzelne Bilder, die er erzeugt, machen nachdenklich und sind eindrücklich. Seine Gedanken sind sehr tiefgründig und berührend. Die Leichtigkeit seiner Ausdrucksweise scheint sich im Laufe des Buches zu verändern, trauriger und distanzierter zu werden. Die Erzählung wirkt zunehmend zusammengewürfelt und immer beschwerlicher. Seine Gedanken sind ausschweifend und seine ungewöhnlichen Sprachbilder wirken vermehrt umständlich und wenig nachvollziehbar.

Das lässt Begreifen, wie seine zunehmende Bewegungsunfähigkeit sich auf seinen Gedankenfluss und das Erleben der Gegenwart auswirkt. Umso größer die Einschränkungen werden, umso mehr scheint sich die Perspektive auf die Vergangenheit, speziell seine Kindheit, zu richten. Es ist nicht das, was der Titel und die Beschreibung ankündigt und ist deswegen etwas enttäuschend. Andererseits ist die Erzählung sehr berührend, denn sie gibt tiefe Einblicke in den Abschied vom Leben.

Eine bemerkenswerte Thematik, beschwerlich erzählt. Anders als erwartet geht es viel um Vergangenes, die Gegenwart ist zu viel im Hintergrund. Tiefe Einblicke in den Abschied vom Leben. Eine beachtliche Leistung.